Kategorie: Wahrnehmung


Ăśber den Erkenntnisbegriff

14. Mai 2012 - 10:11 Uhr

Erkenntnis und Realität

Auch Piaget hat ĂĽber die Frage nachgedacht, wie Erkenntnistheorie nicht als Philosophie sondern als Objektwissenschaft betrieben werden kann. Er meint, dass Objektwissenschaften sich im Unterschied zur Philosophie u.a. dadurch auszeichnen, dass sie nicht die Erkenntnis als Ganzes untersuchen, sondern einen abgegrenzten Bereich des Erkennens.

„Der Gegenstand der Philosophie ist die Totalität der Wirklichkeit. Sie umfaĂźt die Realität der Objektwelt. die Realität des Geistes und auch die Beziehungen zwischen diesen beiden Welten. Insofern kann sie ĂĽber keine spezifischen Methoden verfĂĽgen, auĂźer der reflektierenden Analyse. …

Im Gegensatz zur Philosophie steckt sich eine Wissenschaft ein begrenztes Ziel. Eine rechtmäßige Wissenschaftsdisziplin ist sie erst, wenn es ihr gelingt, eine solche Abgrenzung vorzunehmen. Indern sie nach der Lösung spezieller Fragen sucht, erarbeitet sie sich eine oder mehrere spezifische Methoden, die gestatten, neue Fakten zu sammeln und die Interpretationen innerhalb des vorher abgegrenzten Forschungsabschnitts zu koordinieren.“ /1/

Auf diese Weise erreicht eine Wissenschaft im Unterschied zur Philosophie

„..eine gewisse Übereinstimmung der Geister. Sie erreicht aber diese Übereinkunft nur in dem Maße, wie sie begrenzte Probleme löst und wie sie genau definierte Methoden anwendet.“  /2/

Die Abgrenzungen, die Piaget vornimmt bestehen nun darin, nur die wissenschaftliche Erkenntnis zu untersuchen und diese nur im Prozess ihrer Entwicklung. Deshalb bezeichnet er seine Erkenntnistheorie als „genetische Erkenntnistheorie“.

Gegenstand der genetische Erkenntnistheorie ist folglich einerseits die historische Entwicklung einer bestimmten Erkenntnis, beispielsweise des Zahlbegriffs und andererseits die Entwicklung dieser Erkenntnis im Prozess der Entwicklung des individuellen Intellekts.

Dadurch wird die genetische Erkenntnistheorie zu einer wesentlich psychologischen Theorie. Auch die Entwicklung der objektiven wissenschaftlichen Erkenntnis wird als Ergebnis der Entwicklung aufeinanderfolgender individueller Erkenntnisse betrachtet. Die eigenständige Entwicklung einer „objektiven Erkenntnis“ wie sie beispielsweise bei Frege oder Popper dargestellt wird, ist im Rahmen der genetischen Erkenntnistheorie nicht denkbar. Das ist die gewusste und gewollte Folge dieser Begrenzung des Gegenstandes.

Eine andere Folge dieser Begrenzung ist der Verzicht auf die Formulierung eines allgemeinen Begriffs der Erkenntnis.

„Eine Erkenntnistheorie, die Wert darauf legt, selbst wissenschaftlich zu sein, wird sich deshalb hüten, gleich im Anfang zu fragen, was Erkenntnis sei. Auch die Geometrie vermeidet es, a priori zu entscheiden, was der Raum sei, und die Physik verzichtet anfänglich auf die Frage nach der Materie. Sogar die Psychologie nimmt vorerst nicht Stellung zur Natur des Geistes.

Für die Wissenschaften gibt es keine allgemeine Kenntnis, nicht einmal kurzerhand eine wissenschaftliche Erkenntnis. Es existieren vielfache Formen der Erkenntnis, von denen jede eine endlose Reihe von speziellen Problemen aufwirft.“ /3/

Nun ist es aber gerade mein Anliegen, eben einen allgemeinen aber zugleich objektwissenschaftlichen Begriff der Erkenntnis zu entwickeln.

Der philosophische Ansatz der Erkenntnis besteht u.a. darin, die Erkenntnis in Bezug auf die Realität zu definieren, Erkenntnis also als Glied einer zweistelligen Relation aufzufassen, deren zweites Glied die Realität ist.

Der Begriff der Realität wird gewöhnlich mit zwei Merkmalen ausgestattet: Realität ist im Unterschied zum Ideellen, zur Erkenntnis wirklich, und Realität ist unabhängig, unabhängig von menschlicher Tätigkeit und unabhängig von menschlicher Erkenntnis.

Was nicht Realität ist, gibt es in diesem philosophischen Zusammenhang nicht.

Diese Relation verhindert aber jede Begrenzung, sie bildet keinen Rahmen, in dem gedacht werden kann, denn „Realität“ ist ein Begriff, der alles umfasst. Außer der Realität ist nichts. Bleibt man in diesem philosophischen Zusammenhang, muss Erkenntnis als Etwas bestimmt werden, das außerhalb und unabhängig von Realität ist.

Eine Begrenzung ist bei Beibehaltung dieses philosophischen Rahmens nicht machbar, denn bei jeder Begrenzung geht die (philosophische) Allgemeinheit verloren.

Manchmal wird versucht, diese Allgemeinheit durch Zwischenglieder oder weitere Glieder außerhalb dieser Relation auf den Begriff zu bringen. So wird beispielsweise der Begriff des Subjekts als ein solches Glied aufgefasst. Je nach der Rolle des Subjekts in dieser Beziehung erhält die darauf entwickelte Erkenntnistheorie ihren spezifischen „Touch“, durch den erkenntnistheoretische Grundrichtungen wie Empirismus oder Konstruktivismus gekennzeichnet sind.

Der empiristische Standpunkt besagt, dass Erkenntnis die Realität ideell abbildet. Konstruktivistische Standpunkte versuchen einen anderen Rahmen, indem sie dem Begriff der Realität nicht mehr das Merkmal der Unabhängigkeit von der Erkenntnis zuschreiben, sondern Realität als Konstrukt des Erkennens auffassen. Damit wird die dann oft als „Wirklichkeit“ bezeichnete Realität in den Rahmen der Erkenntnis eingeordnet. Die Frage nach einer Entität außerhalb der Erkenntnis ist damit gegenstandslos.

Es muss also versucht werden einen anderen begrifflichen Rahmen zu entwickeln, in dem die Begriffe Realität und Erkenntnis eingeordnet werden können, ohne ihre Allgemeinheit zu verlieren.

Erkenntnis und Wahrnehmung

Auch der Begriff der Erkenntnis umfasst zwei Merkmale, die Wahrnehmung und die daraus entwickelte eigentliche, „theoretische“ Erkenntnis. Während zumindest auch höhere Tiere zur Wahrnehmung befähigt sind, wird das Erkennen meist als nur dem Menschen zukommende Fähigkeit angesehen, die an die Sprache gebunden ist. Soweit die evolutionäre Erkenntnistheorie Erkennen als allgemeine Fähigkeit des Lebens ansieht, reduziert sie Erkennen auf Steuerung des Verhaltens oder auf Wahrnehmung. Damit wird das spezifisch Menschliche aus dem Begriff der Erkenntnis eliminiert und muss später durch Hilfskonstruktionen angefügt werden.

In der konstruktivistischen Erkenntnistheorie existiert das Problem der Beziehung von Erkenntnis und Realität nicht. Folglich gibt es auch kein Wahrheitsproblem. Wahrnehmung und Erkenntnis finden ausschließlich im geistigen Bereich statt, denn beide sind Leistungen des Nervensystems.

Am klarsten kommt das in der Theorie der Wahrnehmungskontrolle von W. Powers zum Ausdruck. Nach Powers besteht das Verhalten nicht darin, Handlungen zu steuern, sondern Wahrnehmungen. Dazu wird im Gehirn eine „Referenz-Wahrnehmung“ erzeugt, mit der die tatsächliche Wahrnehmung verglichen wird. durch die Steuerung der Muskulatur werden Abweichungen des Wahrnehmungssignals vom Referenzsignal ausgeglichen.

Der Charme dieser Auffassung besteht darin, dass sie mit den Ergebnissen der experimentellen Neurologie durchaus vereinbar sind, was für empiristische Auffassungen keineswegs gilt. Und solange erkenntnistheoretisches Denken im Rahmen der Variablen „Wahrnehmung – Erkenntnis“ verharrt, kann man kaum zu wesentlich anderen Auffassungen kommen.

Wenn man sich nur zwischen den Variablen „Wahrnehmung“ und „Erkenntnis“ bewegt, bleibt als Kriterium der Prüfung der Erkenntnis nur die Wahrnehmung, und dass diese dazu ungeeignet ist, wussten schon die alten Griechen.

Es ist ja nicht so, dass zumindest der radikale Konstruktivismus die Existenz einer vom Menschen unabhängigen Realität bestreitet, sie kommt nur im Variablensystem seiner Erkenntnistheorie nicht vor, und deshalb kann Erkenntnis nichts über die Realität aussagen und auch nicht durch Wahrnehmung von Realität geprüft werden.

Andererseits wird die Realität erkennender Subjekte als selbstverständlich vorausgesetzt, nur hat dies nichts mit Wahrnehmung oder Erkenntnis zu tun. Verhalten wird nicht als Beziehung zur Realität aufgefasst, sondern als Steuerung der Wahrnehmung angesehen.

Erkenntnis und Tätigkeit

Die Beziehung des Menschen zur Realität ist aber nicht nur die. Eine umfassende Beziehung des Menschen zur Welt ist die menschliche Tätigkeit. Diese Beziehung ist weiter als die Erkenntnisbeziehung  und deshalb geeignet, einen Rahmen zu bilden, in dem auch die Erkenntnis  ihren Platz findet.

Die Pole des allgemeinen Begriffs der Tätigkeit sind das Subjekt und seine Umwelt. Beide sind Elemente der Realität. Für Tier und andere nichtmenschliche Lebewesen ist die Umwelt immer nur der Teilbereich der Realität, zu dem das Lebewesen eine Beziehung aufnehmen kann. Dieser Teilbereich ist subjektiv, d.h. er wird von der funktionellen Ausstattung des individuellen Subjekts bestimmt. /4/

Für den entwickelten, den gesellschaftlichen Menschen ist das anders. Mittels seiner Kultur und seiner Sprache vermag er in Beziehung zur gesamten Realität zu treten. Er hat Begriffe und Termini auch für das, was er (noch) nicht kennt und (noch) nicht weiß. Die Umwelt des Menschen ist die ganze Welt, die Realität.

Eine weitere Besonderheit der Tätigkeit menschlicher Subjekte ist, dass wesentliche Tätigkeiten arbeitsteilig-kooperativ ausgeführt werden und die konsumierbaren Resultate der Tätigkeit erst in der Tätigkeit gesellschaftlicher Subjekte zustande kommen. Das Individuum kommt erst durch die Verteilung in den Genuss der Resultate seiner Tätigkeit.

Die Steuerung solcher Tätigkeit erfordert andere psychische Bilder als die Tätigkeit tierischer Subjekte. Diesen  genügt die Wahrnehmung. Alle Komponenten und Etappen der individuellen Tätigkeit sind der unmittelbaren Wahrnehmung durch das tätige Individuum zugängig.

Auf diese Tätigkeit trifft zu, was die evolutionäre Erkenntnistheorie meint, wenn sie die Sinnesorgane und Nervensystem als die „Apparate der Erkenntnis“ /5/ beschreibt.

Für die an Sprache und andere gesellschaftliche Darstellungsformen gebundene Erkenntnis des Menschen gilt das nicht mehr. Die Apparate der Erkenntnis sind nicht die Organe des Nervensystems, sondern die sprachlichen und anderen kulturellen Entitäten, mit denen der Mensch seine Erkenntnis darstellt. Die Organe des Nervensystems sind nur die Apparate der Wahrnehmung, nicht aber die der menschlichen Erkenntnis.

Darstellen ist eben nicht wahrnehmen, und Erkenntnis kann nicht auf Wahrnehmung reduziert werden. Darstellungen können auch nicht einfach wahrgenommen werden, wie die Diskussion um die „5. Dimension der Wahrnehmung“ zeigt. Das Verhältnis zwischen Wahrnehmung und (dargestellter, objektiver) Erkenntnis gehört vielmehr zu den grundlegenden Problemen der Theorie menschlichen Erkennens.

Beide gehören in den Bereich der Steuerung der arbeitsteilig-kooperativen Tätigkeit des Menschen. Die Realität hingegen ist ein eigenständiges Glied in der Beziehung des gesellschaftlichen Menschen zu seiner Umwelt. Durch seine Tätigkeit gliedert der Mensch die Realität in sich als Subjekt und seine Umwelt. Der Begriff der Umwelt bildet so die Realität in Bezug auf den Menschen ab.

Die begriffliche Abbildung von Realität und Erkenntnis erfolgt also in unterschiedenen Relationen, die nicht unmittelbar in Beziehung stehen, sondern vermittelt durch die gesellschaftliche, d.h. arbeitsteilig-kooperative Tätigkeit der Menschen.

 

Anmerkungen:

/1/ Piaget, Jean (1975): Die Entwicklung des Erkennens I, Ernst Klett, Stuttgart, S.13,

/2/ Ebenda, S. 14,

/3/ Ebenda, S. 17,

/4/ Auf diesen Zusammenhang hat UexkĂĽll als erster hingewiesen: UexkĂĽll, Jacob von (1928): Theoretische Biologie, Verlag von Julius Springer, Berlin.

/5/ Vgl. z.B. Lorenz, Konrad (1997): Die RĂĽckseite des Spiegels, Piper & Co. Verlag, MĂĽnchen, ZĂĽrich

 

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Die Wahrnehmung der 5. Dimension

20. Juli 2011 - 09:19 Uhr

Seit einigen Wochen plage ich mich mit der Frage, wie ein Konzept für Wahrnehmung beschaffen sein müsste. Dieses Konzept muss es ermöglichen abzubilden, wie Subjekte mittels ihrer Sinnesorgane psychische Bilder der Realität zustande bringen. Alle mir bekannten Wahrnehmungskonzepte sind entweder empiristisch oder konstruktivistisch. Keines leistet das was es soll.

Der Empirismus kommt nicht mit der Autonomie der Sinnesorgane zurecht, die von der modernen Neurophysiologie beschrieben wird, der Konstruktivismus kann nicht darstellen, dass die psychischen Bilder Abbilder der Realität sind. Keines dieser Konzepte kann alle drei Variablen – Realität, Sinne und Abbilder – in eine logisch widerspruchsfreie Beziehung bringen. Dem Konstruktivismus fehlt die Realität, es gibt nur die konstruierte Wirklichkeit, die nicht wahrgenommen sondern konstruiert wird. Der Konstruktivismus braucht also kein Konzept für Wahrnehmung.

Dem Empirismus fehlt das moderne Verständnis der Funktionsweise der Sinnesorgane. Er geht davon aus, dass die Realität auf die Sinnesorgane einwirkt und aus diesen Eiwirkungen dann die psychischen Abbilder entstehen wie die Bilder in einem Spiegel. Das Subjekt erhält so eine passive Rolle. Es ist der Ort, in dem etwas geschieht. /1/

Diese Auffassung des Subjekts war nun für viele Autoren unbefriedigend. Sie versuchten, die passive Rolle des Subjekts durch allerlei Hilfskonstruktionen aufzubessern. Das ist vor allem in der Tätigkeitstheorie der Fall. Sie erklärt die psychische Widerspiegelung zu einem aktiven, schöpferischen Prozess. Das Subjekt soll die Widerspiegelung nicht passiv mit sich geschehen lassen, sondern sie aktiv gestalten. Der logische Widerspruch zwischen den Konzepten der „Widerspiegelung“ und „Aktivität“ wird nicht reflektiert.

Seinen besonderen Mangel zeigt das empiristische Wahrnehmungskonzept, wenn es um die Beschreibung der Wahrnehmung von Werkzeugen und Kulturgegenständen geht, d.h. von Gegenständen, die eine Funktion oder eine Bedeutung haben.

Aussagen wie „er sieht eine Angel“ oder „er hört ein Wort“ haben in keiner Variante eines empiristischen Wahrnehmungskonzepts einen Sinn. Im Konstruktivismus werden beide nicht wahrgenommen, sondern konstruiert.

Tomasello hat diesen Aspekt der Wahrnehmung experimentell untersucht. Er untersuchte die Fähigkeit von Schimpansen und Menschenkindern, wahrnehmbare Aktionen Anderer zu imitieren. Dabei stellte er fest, dass Schimpansen Werkzeuggebrauch nicht adäquat imitieren können. Nur „FĂĽr Menschen ist das Ziel oder die Intention des VorfĂĽhrenden ein zentraler Teil dessen, was sie wahrnehmen“ S.(42) Schimpansen dagegen „konzentrieren … sich bei ihren Beobachtungen auf Zustandsänderungen (darunter Ă„nderungen der räumlichen Position) der an der VorfĂĽhrung beteiligten Gegenstände, wobei die Handlungen des VorfĂĽhrenden wirklich nur als Körperbewegungen erscheinen. Die intentionalen Zustände des VorfĂĽhrenden und damit seine Verhaltensmethoden kommen in ihrer Erfahrung einfach nicht vor.“ (S. 42)

„Ein Ziel wahrnehmen“ wie soll das gehen? Diese Formulierung ergibt keinen Sinn, in welches der beiden Wahrnehmungskonzepte man sie auch stellt.

Leont´ev hat zur Beschreibung von Wahrnehmungen dieser Art eine weitere Hilfskonstruktion eingeführt: die „fünfte Quasidimension“. Diese Dimension ist die Bedeutung der Gegenstände, die diese in der menschlichen Gesellschaft erhalten. /2/ Er schreibt: „Auf den Menschen, das Bewußtsein des Menschen zurückkommend, muß ich noch einen Begriff einführen - den Begriff von der fünften Quasidimension, in der sich dem Menschen die objektive Welt enthüllt. Das ist das „semantische Feld“, das System der Bedeutungen. Die Einführung dieses Begriffs verlangt eine nähere Erläuterung. Tatsache ist, daß ich, wenn ich einen Gegenstand wahrnehme, diesen nicht nur in seinen räumlichen Dimensionen und in der Zeit, sondern auch in seiner Bedeutung wahrnehme.“ (S.8)

In dieser Hilfskonstruktion verbirgt sich ein verbreiteter Kategorienfehler: Eine zweistellige, relative Eigenschaft wird als einstellig, absolut abgesehen. Eine Bedeutung kommt einem Gegenstand aber nur in Bezug auf bestimmte Menschen zu. So hat beispielsweise ein stabförmiger Gegenstand für einen Menschen, der angeln will eine andere Bedeutung als für einen, der einen Pfeil für seinen Bogen sucht.

Dass die Tätigkeit treibende Bedürfnis beeinflusst natürlich die Wahrnehmung, der eine „sieht“ schon die Angel, die er herstellen will, der andere den zukünftigen Pfeil. In einer Tonfolge „hören“ nicht alle Menschen eine oder die gleiche „Melodie“.

Mit dem Konstrukt der 5. Dimension kann zwar das Widerspiegelungskonzept der Wahrnehmung aufrecht erhalten werden, dafür muss aber das Konstrukt der Realität als unabhängig vom Menschen existierend aufgegeben werden. Wenn der wahrnehmbaren Realität eine Bedeutung zugeschrieben wird, wird sie zu einer relativen Entität, zu einer Entität, die nur in Bezug zur menschlichen Wahrnehmung existiert und nicht unabhängig von dieser. Damit wären wir wieder beim Konstruktivismus und das Problem bleibt ungelöst.

Aber es scheint Licht am Horizont: Offensichtlich, kann ein tragfähiges Konzept für Wahrnehmung und Erkenntnis nicht im Rahmen der drei Variablen Realität – Sinne – psychische Bilder entwickelt werden. Dieser Rahmen wirkt wie ein „Spanischer Stiefel“, der bestimmte Antworten erzwingt.

Es muss wohl ein anderer Rahmen her, ein Rahmen, in dem die Erkenntnis-Variablen mehr Raum finden, Raum, in dem die Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, die ihnen bei der Beschreibung von Wahrnehmung von Gegenständen der Kultur und deren Erkenntnis zukommen. Mit der Konstruktion eines solchen Rahmens plage ich mich nun rum.

 /1/ Zu diesem Problem habe schon mehrfach geschrieben: Erkenntnis ohne Wahrnehmung, Reflexionen über Konstruktivismus und Die Gegenständlichkeit psychischer Bilder

/2/ Auch Tomasello bedient sich dieses Konstrukts. Er schreibt: „Aber die Werkzeuge und Artefakte einer Kultur haben noch eine andere Dimension, die Cole die „ideale“ Dimension nennt.“ (S.194). Auch M. Cole, ein ausgewiesener Anhänger der Kulturhistorischen Schule, nennt diese Dimension die „Fünfte“.

Literatur:

Leontjew, Alexej (1981): Psychologie des Abbilds. In Forum Kritische Psychologie 9, Argument, Berlin, Seiten 5 bis 19,
Tomasello, Michael (2002): Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main S. 104,
Michael Cole (1998):Cultural psychology: a once and future discipline Harvard University Press,

 

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Was macht der Mond, wenn keiner hinguckt?

21. Juli 2010 - 09:27 Uhr

Er scheint, möchte man meinen. Aber so einfach macht es sich mancher nicht, wie an auf manchem Blog lesen kann. In „Arte-Fakten“ oder „Der Freitag“ wird heiß darüber debattiert, ob es die Realität wirklich gibt und wenn ja, ob unsere Erkenntnis über die Realität „wahr“ sein kann und ob wir uns dessen sicher sein können.

Die Debatte darüber ist so alt wie die Philosophie, und die Anzahl der Antworten steigt mit der wachsenden Anzahl der Philosophen. Bei aller Unterschiedlichkeit der Antworten stimmen zumindest die mir bekannten u.a. darin überein, dass sie den Begriff der Realität einstellig, absolut fassen. Entweder es gibt die Realität oder es gibt sie nicht.

Für mich habe ich den Begriff der Realität dagegen zweistellig, relativ gefasst, wie beispielsweise den Begriff „Vater“. Man kann nicht absolut sagen, ob ein Mensch Vater ist oder nicht. Er ist es wirklich in Bezug auf seine Kinder, und er ist es nicht in Bezug auf alle anderen Menschen, und auch das wirklich.

Ebenso verhält es sich mit der Welt, in der wir leben. Diese Welt existiert nur in Bezug auf uns Menschen, und das in Wirklichkeit. Das ist so, seit wir in dieser Welt leben und weil wir in dieser Welt leben. Eine andere Annahme kann ich deshalb nicht denken, weil ich anders mich selbst nicht als wirklich denken könnte. Wie sollte ich leben, ohne Bezug auf die Welt?

Ich kann mir natĂĽrlich auch eine Welt vor dem Menschen und ohne ihn denken, aber eine solche Welt ist keine wirkliche, keine real existierende Welt. Die Welt, die heute wirklich existiert, ist die Welt, zu der ich in Beziehung bin.

Wenn der Begriff der Realität definiert wird als ohne den Menschen existierend, dann ist das der Begriff einer nicht wirklich, nicht real existierenden Welt sondern ein ideelles Konstrukt. Dieses entsteht, indem sich der Mensch aus dem Bild „herausrechnet“, das er sich von dieser seiner Welt gemacht hat. Im Unterschied zu einer Fiktion ist dieses Konstrukt aber denknotwendig, während eine Fiktion ein freies Produkt, wenn auch denkmögliches Produkt menschlichen Denkens ist. Der Begriff der Realität ist keine Fiktion, sondern ein denknotwendiges Konstrukt.

*

Wie kann man nun diese Realität, dieses Konstrukt erkennen? Kann man die Wahrheit über dieses Konstrukt herausfinden, und wenn ja - wie?

Unter den vielen Antworten auf diese Frage bemerke ich zunächst eine große Pauschalität. „Erkenntnis“ wird als einheitliche, qualitativ undifferenzierte Kategorie gefasst. Wo der Unterschied zwischen der auf Erfahrung beruhenden empirischen Erkenntnis und der dem Denken entspringenden Erkenntnis thematisiert wird, werden diese Kategorien meist dualistisch gefasst. Bekannte Kategorien, in denen diese Formen der Erkenntnis gefasst werden, sind beispielsweise Verstand und Vernunft oder Alltagserkenntnis – theoretische (wissenschaftliche, objektive) Erkenntnis. Beziehungen zwischen beiden, insbesondere Fragen danach, ob und wie beide auseinander hervorgehen, werden kaum thematisiert.

Das wirkt sich insbesondere bei der Frage nach dem Begriff der Wahrheit und den Kriterien der Feststellung der Wahrheit – der Übereinstimmung von Realität und Erkenntnis - aus. Wenn die Realität eine Welt ohne den Menschen ist, dann kann sie prinzipiell nicht empirisch erkannt werden, weil auch empirische Erkenntnis immer menschliche Erkenntnis ist, die nur mit dem Menschen möglich ist. Eine Welt ohne Menschen kann immer nur eine gedachte Welt sein, und die kann nur theoretisch – durch Denken – erkannt werden.

In der Erfahrung, in der Anschauung, in der Wirklichkeit ist uns nur unsere Welt gegeben, eben die von uns erfahrene, die von uns angeschaute wirkliche Welt, die Welt in Bezug auf uns. Deshalb sind logische Widersprüche unvermeidlich, wenn man versucht, im Experiment herauszufinden, wie die Realität außerhalb dieses Experiments ist. Das ist nicht die Aufgabe des Experiments, das ist die Aufgabe der Theorie.

*

Die Frage nach der Wahrheit unserer Erkenntnis, der empirischen wie der theoretischen, ist offensichtlich im Rahmen der Begriffe Realität – Erkenntnis nicht lösbar. Jede in diesem Rahmen mögliche Antwort führt zu logischen Widersprüchen. Man muss das Problem vielmehr in dem Zusammenhang lösen, aus dem heraus es entstanden ist, d.h. in den Zusammenhang mit dem menschlichen Leben.

Menschliche Erkenntnis ist nicht ohne den Menschen, nicht ohne das menschliche Subjekt möglich. Eine „objektive Erkenntnis“, eine „Erkenntnis ohne erkennendes Subjekt“/1/, wie sie Popper konstruiert, ist eine Fiktion und zudem ein Widerspruch in sich.

Menschliche Erkenntnis entsteht in der menschlichen Tätigkeit und hat in dieser eine erkennbare Funktion. Diese Funktion erfüllt sie im Rahmen der Steuerung der Tätigkeit als Kriterium der Bewertung ihres Erfolgs. Erkenntnis muss also nicht als Resultat von Erfahrung und Wahrnehmung aufgefasst werden, sondern als deren Voraussetzung. Erkenntnis entspringt nicht der Erfahrung, sondern dem Bedürfnis, das durch eine Tätigkeit befriedigt werden soll. In der Tätigkeit erfährt das Subjekt, ob und in welchem Maß die durch die jeweilige Erkenntnis gesteuerte Tätigkeit befriedigt wird und bewertet somit die steuernde Erkenntnis.

Eine erfolgreiche Tätigkeit ist nur möglich, wenn die Realität, auf die sich die Tätigkeit richtet, adäquat abgebildet wird, wenn die Erkenntnis also wahr ist. Die Erkenntnis muss die Realität dazu nicht vollständig abbilden. Man denke nur an die von Uexküll /2/ beschriebene Erkenntnis der Zecke. Aber auch das psychische Abbild der Zecke, das deren Tätigkeit steuert, muss wahr sein - bei Strafe ihres Todes durch verhungern.

Beim Menschen kommt hinzu, dass er nicht nur wie die Zecke vorwiegend über ererbte Erkenntnisse verfügt, sondern über die durch die Sprache vermittelte gesellschaftliche und darum theoretische Erkenntnis. Sie steuert eine besondere Tätigkeit, nämlich die Tätigkeit, in der die Menschen ihr empirisches Wissen gewinnen, das ihre praktische Tätigkeit steuert.

Theoretisches Wissen ist nicht Wissen über die unmittelbar und in der Erfahrung gegebene Realität, sondern Wissen über dieses Wissen und seine Gewinnung. Und eben darum ist es nicht der Erfahrung zugänglich, sondern nur dem Denken. Kriterium der Bewertung theoretischer Erkenntnis ist nicht die Realität, sondern menschliches Wissen über diese Realität.

 

Und was macht der Mond nun, wenn keiner hinguckt? Er scheint, anderes kann ich weder denken noch erfahren.

 

/1/ Popper, Karl R. (1995): Objektive Erkenntnis, Hoffmann u. Campe, Hamburg, S. 112

/2/ UexkĂĽll, Jacob von (1956): StreifzĂĽge durch die Umwelten von Tieren und Menschen, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbeck.

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Linguistisches missing link gefunden?

10. April 2010 - 10:03 Uhr

Daniel Everett und die Sprache der PirahĂŁ haben den alten Streit der Linguisten ĂĽber die Frage, ob die Sprache dem Menschen angeboren ist, aufs Neue entfacht. Ausgezogen als christlicher Missionar, der brasilianischen Indianern die Bibel in deren eigene Sprache ĂĽbersetzen wollte, kam er nicht nur mit neuen Erkenntnissen ĂĽber die menschliche Sprache und deren Theorie zurĂĽck, sondern auch mit einem neuen Weltbild, in dem wie bei den PirahĂŁ weder der christliche noch ein anderer Gott einen Platz gefunden hat.

Sein nun auch in deutscher Sprache vorliegendes Buch „Das glücklichste Volk“ lässt uns an drei spannenden Reisen teilhaben. Da ist zum ersten die Reise in den brasilianischen Urwald, dessen fremde Natur ihn und seine Familie in sieben Jahren  nicht wenige Abenteuer bestehen lässt. Da ist zu anderen die Reise in eine fremde Kultur und zu einer fremden Sprache, die Everett anschaulich beschreibt und die wir nur staunend bewundern können. Und da ist zum dritten die Reise eines christlichen Missionars, die ihn durch das tiefe Eindringen in die Kultur der Pirahã vom christlichen Glauben zu einer nontheistischen Weltanschauung geführt hat.

Diese Reisen führten Everett auch zu einem Wechsel seiner wissenschaftlichen Auffassungen über die Natur der menschlichen Sprache. Ausgehend von dem Auffassungen Chomskys über eine letztlich allen Menschen angeborenen Universalgrammatik entwickelte er die Auffassung, das Sprache und Grammatik vielmehr durch die Kultur der Gesellschaft bestimmt werden. In dieser Auffassung steht er zwar nicht allein, nimmt aber Auffassungen der  der „kulturhistorischen Theorie“ anscheinend ebenso wenig zur Kenntnis wie etwa die Arbeiten Merlin Donalds über die kulturelle Determination neurophysiologischer Prozesse. Allein die empirische Analyse der Sprache der Pirahã und deren Grammatik führten ihn zu diesem Standpunkt.

Die Pirahã kennen keine Wörter für Zahlen, keine Wörter für Farben und keine Wörter für gestern und heute. Die Sprache der Pirahã kennt auch keine Nebensätze und keine Einbettungen. Das Pirahä gehört unter allen Sprachen der Welt zu denen mit der geringsten Zahl an Phonemen: Es gibt für Männer nur drei Vokale (i, a, o) und acht Konsonanten (p, t, k; s, h, b, g und den Knacklaut oder Glottisverschlusslaut (x) und für Frauen drei Vokale (i, a, o) und sieben Konsonanten (p, t, k, h, b, g und x. sie benutzen h an allen Stellen, wo Männer h oder s aussprechen). Frauen haben also weniger Konsonanten als Männer. Das ist zwar nicht einzigartig, es ist aber zumindest ungewöhnlich. (Zum Vergleich: Das Deutsche hat etwa 40 Phoneme, Dialekte haben oft noch mehr.)

Es fällt auf, dass die Beschreibung des Pirahã vor allem durch die Aufzählung fehlender Merkmale erfolgt, also durch die Beschreibung desen, was diese Sprache alles nicht hat. Diese dem Pirahã fehlenden Elemente werden jedoch von der linguistischen Theorie jedoch als Merkmale einer Sprache gefordert. Ihr Fehlen führt Everett zu dem Schluss, dass diese Theorien als allgemein gültige Paradigmata ungeeignet sind und ein anderes Erklärungsprinzip erforderlich ist.

Als dieses Erklärungsprinzip schlägt Everett das „Prinzip des unmittelbaren Erlebens“ (immediacy of experience principle, IEP) vor. Dieses Prinzip besagt, dass das Pirahã nur Aussagen enthält, die unmittelbar mit dem Augenblick des Sprechens zu tun haben, weil sie entweder vom Sprecher selbst erlebt wurden oder weil jemand, der zu Lebzeiten des Sprechers gelebt hat, ihr Zeuge war.

Die Gültigkeit dieses Prinzips ist nicht auf die Sprache beschränkt, sondern hat den Rang eines allgemeinen kulturellen Prinzips, das in allen Lebensbereichen der Pirahã wirkt. Er schreibt:

„Nach und nach fielen mir immer mehr Beobachtungen ein, die für den Wert des unmittelbaren Erlebens zu sprechen schienen. So erinnerte ich mich beispielsweise daran, dass die Pirahã keine Lebensmittelvorräte anlegen, nicht für mehr als einen Tag auf einmal planen und nicht über die entfernte Vergangenheit oder Zukunft reden - sie konzentrieren sich ganz offensichtlich auf das Jetzt, auf ihr unmittelbares Erleben. Das ist es!, dachte ich eines Tages. Das verbindende Element von Sprache und Kultur der Pirahã ist die kulturelle Beschränkung, nicht über irgendetwas zu sprechen, das über das unmittelbare Erleben hinausgeht.“ (S. 199)

und

„Das Prinzip des unmittelbaren Erlebens ermöglicht überprüfbare Voraussagen, und darin zeigt sich, dass es sich nicht nur um eine negative Aussage über etwas handelt, das im Pirahã fehlt, sondern um eine positive Behauptung über das Wesen dieser Grammatik und darüber, wie sie sich von anderen, allgemein bekannten Grammatiken unterscheidet.“ (S. 349)

Dabei handelt es sich offensichtlich nicht allein um Besonderheiten der Sprache, sondern auch um Besonderheiten des Erkenntnissystems der Pirahã, das sehr eng an die unmittelbare Wahrnehmung gebunden iat. So enthält dieses Erkenntnissystem keine Schöpfungsmythen oder andere Überlieferungen. Diesem Prinzip entspricht auch ihr einfaches Verwandtschaftssystem. Infolge der geringen Lebenserwartung leben gewöhnlich nur drei Generationen gleichzeitig nebeneinander, ein Wort – und damit ein Begriff – für „Urgroßvater“ fehlt – es ist nach diesem Prinzip auch nicht erforderlich.

Die Bedeutsamkeit der Wahrnehmbarkeit spiegelt sich auch darin wieder, dass die PirahĂŁ ein eigenes Wort benutzen, um die Wahrnehmbarkeit als kulturelles Konzept zu bezeichnen. Das herauszufinden, so berichtet Everett, hat ihn viel MĂĽhe gekostet. Er schreibt

„Offensichtlich beschreibt das Wort XibipĂ­Ă­o ein kulturelles Konzept oder eine Wertvorstellung, zu der es in unserer Sprache keine eindeutige Entsprechung gibt. NatĂĽrlich kann auch bei uns jeder sagen” lohn ist verschwunden” oder »Billv ist gerade aufgetaucht”, aber das ist nicht das Gleiche. Erstens benutzen wir fĂĽr Auftauchen und Verschwinden unterschiedliche Wörter, das heiĂźt, es sind auch unterschiedliche Konzepte. Noch wichtiger ist aber, dass wir uns zweitens vor allem auf die Identität der kommenden oder gehenden Person konzentrieren und nicht auf die Tatsache, dass sie gerade unseren Wahrnehmungsbereich betreten oder verlassen hat.SchlieĂźlich wurde mir klar, dass dieser Begriff das benennt, was ich als Erfahrungsschwelle bezeichne: den Vorgang, die Wahrnehmung zu betreten oder zu verlassen und sich damit an den Grenzen des Erlebens zu befinden.“ (S.196)

                               *

Diese und andere von Everett beschriebenen Besonderheiten der Kultur der Pirahã und ihrer Sprache habe ich mit besonderem Interesse zur Kenntnis genommen, bestätigen sie doch eigene theoretische Erwägungen über die Entstehung der menschlichen Sprache.

Unter anderem geht es mir bei diesen Überlegungen um die Frage, wie die Wörter einer Sprache zu ihren gesellschaftlichen Bedeutungen kommen. Wie kommt es dazu, dass alle Mitglieder einer Gemeinschaft mit einem bestimmten Wort die gleiche Bedeutung verbinden? In einer sprechenden Gesellschaft ist das klar: durch Lernen durch Wahrnehmung. Ein Kenner des Wortes sagt es und zeigt auf den Gegenstand. Beide nehmen den gleichen Gegenstand wahr und erzeugen das psychische Abbild dazu. Wie aber, wenn es noch keine Sprache gibt, in der sich die Individuen verständigen können?

Ich habe vorgeschlagen, ein hypothetisches Stadium vorsprachlicher Zeichen anzunehmen, das aus der Verwendung von Werkzeugen in der gemeinsamen arbeitsteiligen unmittelbar hervorgehen kann (vgl. Litsche 2004, S, 455ff.). In gemeinsamer Tätigkeit benutzte Werkzeuge sollten die die ersten „Träger“ gesellschaftlicher Bedeutungen gewesen, so wie sie es auch heute noch sind. Sie können in einer sprachlosen Kommunikation der Organisation kollektiver Tätigkeiten dienen. Wenn sich eine Gruppe von Menschen zum Zweck des Schneeschippens treffen, genügt es, die vorhandenen Werkzeuge auf die Anwesenden aufzuteilen, und jeder weiß, was er zu tun hat. Was mit einem Besen oder einer Schaufel zu tun ist, weiß jeder aus eigener Wahrnehmung.

Die entscheidende Bedingung für das Entstehen gesellschaftlicher Bedeutungen ist demnach die Benutzung von Werkzeugen in gemeinsamer, arbeitsteiliger Tätigkeit.

An die Stelle der „echten“ Werkzeuge können in der Planungsphase der Tätigkeit Spielzeuge oder farbige Kugeln als Zeichen für die Werkzeuge treten, um den gleichen Effekt zu erzielen. Die Bedeutung dieser Zeichen kann auch ohne Sprache durch Wahrnehmung kommuniziert werden, indem Zeichen und Werkzeug gemeinsam gezeigt werden.

Auf diese Weise kann ein ganzes System sprachloser Zeichen und gesellschaftlicher Bedeutungen geschaffen werden. Aus der ursprünglichen Kultur kollektiver Werkzeuge entsteht eine Kultur sprachloser Zeichen, in der eine umfangreiche Kommunikation ohne Sprache möglich wird. Einige Aspekte einer solchen Kommunikation habe ich auf meiner Website dargestellt.

Zeichen und gesellschaftliche Bedeutungen können also bereits vor der Sprache entstanden sein. Sie sind die Grundlage für den nächsten Schritt der Evolution, die Umwandlung der Laute der werdenden Menschen in sprachliche Zeichen. Die Sprache kann entstehen, weil bereits ein System vorsprachlicher gesellschaftlicher Zeichen und Bedeutungen vorhanden ist. Das ist das, was den rezenten Menschenaffen zur Ausbildung einer gesellschaftlichen Sprache fehlt.

Die nichtsprachlichen Zeichen, die wir heute benutzen, bedĂĽrfen immer eines Bezugs zur Sprache. Das unterscheidet sie von den hypothetischen vorsprachlichen Zeichen.

Ein solches vorsprachliches Zeichensystem würde Merkmale aufweisen, die Everett auch in der Sprache der Pirahã gefunden hat. In einer Kultur vorsprachlicher Zeichen sind keine Zeichen möglich, die Eigenschaften getrennt von deren gegenständlichen Trägern bezeichnen. Mit den vorsprachlichen Zeichen könnten also beispielsweise keine isolierten Farben und keine Zahlen dargestellt werden. Zahlzeichen und Farbzeichen sind nicht als anschaubare gegenständliche Zeichen möglich.

                          Xibipíío

Everetts Entdeckung hat meinen Wahrnehmungsbereich ungemein bereichert. Im PirahĂŁ finde ich viele Eigenschaften meines hypothetischen Systems vorsprachlicher Zeichen wieder. Mit der Beschreibung dieser Sprache nähert sich mein theoretisches Konstrukt nun der “Wahrnehmungsschwelle”.

Die Sprache der Pirahã erscheint mir als eine sehr ursprüngliche Sprache, die einer Kultur der vorsprachlichen Zeichen noch sehr nahe ist. Das Pirahã könnte so ein missing link im Prozess der Evolution der menschlichen Sprache sein, das die Lautsprache mit dem System der vorsprachlichen Zeichen verbindet.

 

Caroll, Lewis (1993): Alice im Wunderland, Lentz-Verlag, MĂĽnchen, S. 52.

Donald, Merlin (2008): Triumph des Bewusstseins * Die Evolution des menschlichen Geistes, ,

Litsche, Georg A. (2004): Theoretische Anthropologie * GrundzĂĽge einer theoretischen Rekonstruktion der menschlichen Seinsweise, Lehmanns Media-LOB, Berlin.

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Wer betrĂĽgt wen?

22. Oktober 2009 - 09:44 Uhr

Neulich (3.10.09) sah ich im Fernsehen (NDR) ein Experiment, in dem die Wissenschaftler sich bemühten, den menschlichen Geruchssinn zu untersuchen. Sie ließen die Versuchspersonen mit der abgebildeten Apparatur drei Mal den gleichen Kaffeeduft riechen, wobei sie vorgaben, jeder Kaffee sei in einer anderen Kaffeemaschine erzeugt worden. Die Versuchspersonen kamen zu dem vorhersehbaren Ergebnis, dass der Kaffee aus der teuren, modernen Kaffeemaschine am besten röche, der aus der billigsten am schlechtesten.

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Bildquelle

Bei der Interpretation dieser Ergebnisse wurde gesagt, dass die Sinne offensichtlich den Verstand betrögen und ihm Informationen vorspielten, die es in der experimentell erzeugten Realität so nicht gab.

Der erkenntnistheoretische Hintergrund dieser „wissenschaftlichen“ Untersuchung ist offensichtlich und unreflektiert das empiristische Konzept der Wahrnehmung. Die Autoren haben offensichtlich die erkenntnistheoretische Diskussion der letzten 50 Jahre und die dieser zugrunde liegenden Ergebnisse der Wahrnehmungsforschung einfach nicht zur Kenntnis genommen. Jeder auch nur oberflächlich mit den modernen Ideen zum Thema vertraute Leser kann diese Konstruktion leicht auseinander nehmen.

Da die Versuchspersonen ja vorher wissen mussten, welchen Kaffeeduft sie prĂĽfen, haben sie dieses gedankliche Bild den wahrgenommenen Stoffen als Information aufmoduliert und so zum “Duft” gemacht. Das „prĂĽfende“ Subjekt hat mit seinem Verstand hat die Information erzeugt, die dann von den DĂĽften als Träger dieser Information ĂĽber die Nase aufgenommen wurde. Der Duft selbst ist dafĂĽr relativ unbedeutend. Erst der Verstand bestimmt, wie ein Stoff riecht.

Nicht die Sinne haben also den Verstand betrogen, sondern höchstens umgekehrt.

Der Sinn solcher „Untersuchungen“ liegt auf der Hand: Wie sollte man sonst Werbung organisieren? Vielleich über den Verstand? Da kann man den mündigen Verbraucher nicht „wissenschaftlich begründet“ manipulieren und zu entmündigen versuchen. Der denkende Verbraucher - eine Horrorvostellung für Werbung.

 

1 Kommentar » | Allgemein, Erkenntnis, Wahrnehmung

Erkennen durch Wahrnehmung

29. September 2009 - 09:57 Uhr

Im vorigen Beitrag habe ich gezeigt, dass die Kategorie Erkenntnis auch ohne die Kategorie der Wahrnehmung konstruiert werden kann, wenn die Kategorie der Tätigkeit zugrunde gelegt wird. Die vom Subjekt konstruierten psychischen Abbilder werden in diesem Konstrukt nicht durch Wahrnehmung mit der Realität verbunden, sondern durch die Tätigkeit. Die Tätigkeit der Subjekte wird mittels der konstruierten psychischen Abbilder gesteuert, die durch den Erfolg der Tätigkeit verifiziert werden.

Man kann sich vorstellen, eine Bewegung auch durch Töne, beispielsweise eine Melodie zu steuern. Man singt ein Lied und fĂĽhrt an bestimmten Stellen der Melodie bestimmte Richtungswechsel durch. So kann man ein Ziel auch mit geschlossenen Augen erreichen, ohne Wahrnehmung der Umwelt. Die Information zur Steuerung der Bewegung erhält die Melodie durch das Subjekt. – Die australischen Aborigines steuern auf diese Weise durch “Songlines“ ihre mehrere Tausend Kilometer langen Märsche durch ihr Land. Muster, die zur Steuerung geeignet sind, mĂĽssen nur eine „Melodie“, eine „Gestalt“ haben. Auch WĂĽrfeln liefert ein Muster, das aber hat keine Gestalt und kann deshalb nicht gerichtet steuern.

Diese Konstruktion erfordert die Annahme einer physikalischen Realität. Zum einen werden Subjekte als materielle, stofflich-energetische Systeme unterstellt. Es gibt also reale Subjekte. Diese Subjekte agieren. Dazu brauchen sie einen stofflich-energetischen Input, d.h., Subjekte können nur in einer stofflich-energetischen Umwelt existieren, in der sie einen stofflich-energetischen Input generieren, der ihre Erhaltung gewährleistet. Diese Umwelt muss ebenso real sein wie das Subjekt selbst.

Solange das Subjekt nicht einer funktionellen Komponente zur Wahrnehmung ausgestattet ist, entfällt auch die Notwendigkeit, eine gesonderte informationelle Beziehung zwischen dem konstruierten psychischen Bild und der Umwelt auszuarbeiten. Die Beziehung Subjekt-Umwelt ist rein stofflich-energetisch und wird durch die Tätigkeit realisiert. Das befriedigte Bedürfnis bestätigt, dass das subjektive Konstrukt ein zutreffendes Bild der Realität war, Wahrnehmung ist (noch) nicht erforderlich.

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  Schema 1: Stofflich-energetische Steuerung der Tätigkeit durch den Erfolg (die Outputs sind autonome Leistungen des Subjekts)

Die organische Welt besteht zum größten Teil aus Lebewesen, die zwar tätig sind, und das erfolgreich, ohne über funktionelle Komponenten zu verfügen, die sie zur Wahrnehmung befähigen würden. Ihre Bilder der Realität sind keine psychischen Entitäten, sondern basieren beispielsweise auf chemischer (z.B. hormoneller) Basis. Nur Lebewesen, die mit einem neuronalen System ausgestattet sind besitzen auch eine Psyche und können psychische Bilder erzeugen. Nur diese sind auch mit Sinnesorganen und der Fähigkeit der Wahrnehmung ausgestattet. Das Leben bringt Psyche und Wahrnehmung also erst auf einer bestimmten Stufe der Evolution hervor.

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Schema 2: Informationelle Steuerung (der informationelle Output des Signalgebers wird auf die Steuerkomponente ĂĽbertragen und von dieser zum psychischen Bild und zur informationellen Output verrechnet)

Im Unterschied zur Tätigkeit ist die Wahrnehmung keine stofflich-energetische Beziehung des Subjekts zur Realität, sondern eine informationelle. Bei der Wahrnehmung nehmen die Subjekte weder Substanz noch Energie auf, sondern Informationen. Diese sind nicht durch stoffliche oder energetische Parameter gekennzeichnet. Deshalb können sie auch keine Beziehung des Subjekts zu einer stofflich-energetischen Realität abbilden. Da die Mainstreamerkenntnistheorie nicht auf der Tätigkeit, der stofflich-energetischen Beziehung des Subjekt zur Realität, aufbaut, sondern nur von der Wahrnehmung ausgeht, kann sie keine Beziehung zwischen psychischen Bildern und Realität erkennen. In dieser Sicht wird die Tätigkeit infolge des fehlenden Ergebnisses auf eine ziellose Bewegung reduziert, die keinen Sinn hat.

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Schema 3: Wahrnehmung ohne stofflich-energetischen Input - konstruktivistische Variante

Ohne eine auf den Erfolg – die Selbsterhaltung des Subjekts – gerichtete Tätigkeit kann es keine Bewertung der Informationen geben die das Subjekt erzeugt. Das ist auch dann nicht der Fall, wenn man ein empiristisches Wahrnehmungskonzept annimmt.

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Schema 4: Wahrnehmung ohne stofflich-energetischen Input - empiristische Variante

Erst wenn die Tätigkeit als materielle Aktion von Subjekt in das Modell der Wahrnehmung einbezogen wird, kann die Umwelt nicht mehr nur, nicht mehr ausschließlich als gedankliches Konstrukt gedacht werden. Der vom Sensor erzeugte Input aus der Umwelt erhält seinen informationellen Gehalt ebenfalls aus dem Erfolg der materiellen Tätigkeit. Der Umweltinput auf den Sensor enthält ebenso wenig Information wir der stofflich-energetische Input. Information erhält er erst, indem das Subjekt den Erfolg der Tätigkeit bewertet, die durch diesen Input gesteuert wird,

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Schema 5: Steuerung der Tätigkeit durch Wahrnehmung mit stofflich-energetischen Input - tätigkeitsttheoretische Variante

Das tätigkeitstheoretische  Konzept der Wahrnehmung erhält zwar das konstruktivistische Moment, erhält aber zugleich die Verbindung zur Realität. Vom empiristischen Konzept ĂĽbernimmt es die Auffassung, dass die Realität Information trägt, sieht diese aber nicht als “objektiv”, unabhängig vom Subjekt, sondern als subjektive, vom Subjekt erzeugte Eigenschaft der Realität.

Ich denke, dass man sich von der Idee verabschieden muss, die Realität enthielte objektive Informationen, die vom Subjekt „aufgenommen“ würde. Erst das Subjekt verleiht der Realität die Information, „objektive“ Information, Information ohne Subjekt ist ein Widerspruch in sich. Bei der Wahrnehmung nimmt das Subjekt Information nicht auf, sondern erzeugt sie und „moduliert“ sie der Umwelt auf. Durch den Erfolg der Tätigkeit bewertet das Subjekt die Information.

4 Kommentare » | Allgemein, Erkenntnis, Subjekte, Tätigkeitstheorie, Wahrnehmung

Erkenntnis ohne Wahrnehmung

19. August 2009 - 15:23 Uhr

Die bislang radikalste Form, die Realität aus der Erkenntnis zu entfernen, sind die Erkenntnistheorien des der Konstruktivismus. Der Konstruktivismus bestreitet zwar nicht die Existenz einer objektiven, d.h. vom Menschen unabhängigen Realität, er bestreitet aber, dass unsere Wahrnehmung uns ein Bild dieser Realität liefern kann. Mit dieser These wirft der Konstruktivismus nicht nur die Wahrnehmung als Prozess der Erkenntnisgewinnung über Bord, sondern auch den Abbildcharakter der Erkenntnis schlechthin. Erkenntnisse sind im konstruktivistischen keine Abbilder einer von diesen Abbildern unabhängigen Realität, sondern freie Konstrukte des denkenden Subjekts.

Diese Argumentation zeigt, wie verhaftet der Konstruktivismus noch mit der empiristischen Erkenntnistheorie ist. Das Abbild kann nur als auf Wahrnehmung beruhendes Abbild verstanden werden. Die unreflektierte Annahme, Erkenntnis beruht letztlich auf Wahrnehmung, kennzeichnet auch die Diskussion im Blog Arte-Fakten. Es ist das Verdienst des Konstruktivismus nachgewiesen zu haben, dass eine solche Abbildtheorie mit den Ergebnissen der modernen Neurophysiologie unvereinbar ist. Das impliziert aber nicht die Annahme, dass die Erkenntnistheorie grundsätzlich keine Abbildtheorie sein kann. Erkenntnisse müssen nur als Abbilder der Realität aufgefasst werden, die auf andere Weise als durch Wahrnehmung zustande kommen. Mit dieser Annahme entfällt die logische Notwendigkeit, auch die Kategorie der Realität aus der Erkenntnistheorie zu entfernen. Sie erweist sich vielmehr als Denknotwendigkeit, denn ohne die Kategorie der Realität bliebe auch die Kategorie des Abbildes inhaltsleer.

Eine Lösung dieses Problems besteht darin, die Kategorie der Erkenntnis zwar nicht ohne Realität, aber ohne Wahrnehmung zu konstruieren. Erkenntnisse bleiben dann wie im Konstruktivismus freie Konstrukte des Subjekts. Da der Konstruktivismus mit der Wahrnehmung auch die Realität aus der Erkenntnis entfernt hat, fehlt ihm auch das zweite Glied, um die Erkenntnis als Abbildrelation zu konstruieren. Mit der Einbeziehung der Realität als Denknotwendigkeit in den Erkenntnisbegriff ist diese logische Hürde überwunden. Erkenntnis kann nun verstanden werden als freie subjektive Konstruktion von Abbildern der Realität. Abbilder der Realität müssen nicht durch Wahrnehmung entstehen, sie können auch konstruiert werden.

Damit stellt sich die Frage nach der „Zuordnungsvorschrift“, nach der die freien Konstrukte der Realität als deren Abbild zugeordnet werden sollen. Diese Zuordnungsvorschrift kann nicht mehr durch den Wahrnehmungsprozess begründet werden. Der Konstruktivismus bietet zwei Kriterien an, nach denen Konstrukte zu bewerten sind: den Konsens und die Eignung als Orientierungsgrundlege.

Die letztgenannte Bestimmung ist eine der Hilfskonstruktionen, durch die der Realität quasi durch die Hintertür wieder Einlass in die konstruktivistische Erkenntnistheorie verschafft wurde, denn die Notwendigkeit der Orientierung ist nur durch die Annahme einer Realität begründbar, in der sich das Subjekt orientieren muss. In dieser Konstruktion wird auch die Wahrnehmung wieder in die konstruktivistische Theorie eingeführt, denn die Orientierung erfolgt in dieser Sicht weiter über die Sinnesorgane. Auch in diesen Versionen des Konstruktivismus bleibt weiterhin bestritten, dass durch die Orientierung über die Sinnesorgane ein Abbild der Realität entsteht.

In dieser Argumentation macht sich eine weitere Enge der Sichtweise der konstruktivistischen Erkenntnistheorie bemerkbar. Sie kennt keine andere Verbindung zwischen Subjekt und Realität als die Wahrnehmung. Betrachtet man das Subjekt aber als tätiges Subjekt, das sich durch seine Tätigkeit selbst erhält, dann erweist sich die Tätigkeit eine eigenständige und unmittelbare Verbindung zwischen Subjekt und Realität, die keiner Vermittlung durch Sinnesorgane bedarf (wenn sie diese auch zulässt).

Eine erfolgreiche Tätigkeit, durch die sich das Subjekt tatsächlich erhält, begründet eine eindeutige Zuordnungsvorschrift, die das Konstrukt der Realität als deren Abbild (im Sinne eines mathematischen Abbildungsbegriffs) zuordnet. In dieser Sicht ist die Erkenntnis ein konstruiertes Bild für die Realität und nicht mehr wie im Empirismus ein Bild von der Realität, sie ist nicht mehr deren Widerspiegelung.

Bleibt die Frage, wie nun die Wahrnehmung mit der Erkenntnis zusammenhängt. Offensichtlich ist, dass Erkenntnis nie ohne Beteiligung der Wahrnehmung erfolgt, sie erklärt sie nur nicht. Wahrnehmung ist kein Erklärungsprinzip für Erkenntnis, es ist eher umgekehrt. – Aber das ist schon Stoff für einen neuen Beitrag.

9 Kommentare » | Allgemein, Erkenntnis, Psyche, Tätigkeitstheorie, Wahrnehmung