Der freie Wille und die Physik

Physiker und Chemiker haben kein Problem damit, physikalischen oder chemischen Prozessen das Prädikat „freiwillig“ zuzuschreiben. Psychologen und Neurophysiologen streiten dagegen sogar darüber, ob dieses Prädikat menschlichen Handlungen zuerkannt werden kann.

Hinter diesem Widerspruch sind einige Probleme verborgen, die meist nicht reflektiert werden, wenn die Formulierung „freier Wille“ benutzt wird.

Ein erstes Problem steckt hinter der „Wer-Frage“. Wer – welche Art von Entität - hat die Eigenschaft, die jeweils „freier Wille“ genannt wird? Bei Physikern und Chemikern sind dies Prozesse in isolierten thermodynamischen Systemen, d.h. thermodynamische Systeme, die weder Substanz noch Energie mit der Umgebung austauschen.

Solche Systeme befinden sich gewöhnlich im Zustand des thermodynamischen Gleichgewichts, d.h. in einem Zustand, in dem überhaupt nichts stattfindet, weder freiwillig noch unfreiwillig. Anders aber, wenn in einem isolierten thermodynamischen System ein Zustand des Ungleichgewichts besteht. Dann geht das System „von allein“/1/ („spontan“, „freiwillig“) in ein thermodynamisches Gleichgewicht über. Das ist ein Aspekt des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik.

Die Bedeutung des Wortes „freiwillig“ resultiert eben daraus, dass es Prozesse innerhalb eines isolierten Systems bezeichnet, auf die per definitionem keine äußeren Ursachen wirken. Dieser Umstand der fehlenden äußeren Ursache zwingt quasi zur Verwendung von Termini wie „freiwillig“, „von allein“ oder „spontan“. Er ist nur in isolierten thermodynamischen Systemen gegeben.

Nun werden Lebewesen seit Bertalanffy gewöhnlich als offene thermodynamische Systeme betrachtet. Das physikalische Konstrukt des offenen thermodynamischen Systems ist also auch das Erklärungsprinzip für Lebewesen, und für diese gilt, dass nichts ohne äußere Ursache geschieht. In offenen thermodynamischen Systemen geschieht nichts von allein, spontan, freiwillig.

Indem nun die Lebewesen diesem Erklärungsprinzip unterworfen werden, können ihnen allein aus Gründen der Logik Prädikate wie „von allein“ oder „freiwillig“ nicht mehr zugeschrieben. Der freie Wille wurde ihnen per definitionem genommen.

Wenn man den Lebewesen nun doch einen (freien, eigenen) Willen zuschreiben will, kann das angewendete Erklärungsprinzip für Lebewesen weder das Konstrukt des isolierten noch das des offenen thermodynamischen Systems sein. Lebewesen müssen mit einem prinzipiell anderen Prinzip als dem des thermodynamischen Systems erklärt werden.

Dieses andere Prinzip ist das Konstrukt des Subjekts. Subjekte haben per definitionem einen Willen. Subjekte sind im allgemeinen Sprachgebrauch (und dem vieler Philosophien) mit Eigenschaften wie Selbstbestimmtheit, Autonomie und eben dem freien Willen ausgestattet. Ohne diese Eigenschaften kann ein Individuum nicht Subjekt sein. Dieses Konstrukt wäre aber nur dann mit den Paradigmata der Physik verträglich, wenn das Subjekt physikalisch nicht mehr also offenes, sondern als isoliertes thermodynamisches System aufgefasst werden könnte.

Die Crux liegt also in der Beziehung der Subjekte zur Umwelt. Die Subjekte müssen Beziehungen zur Umwelt haben, diese dürfen aber nicht kausalistischer Natur sein. Die Umwelt darf nicht die Ursache des subjektiven Handelns sein, denn dieses muss selbstbestimmt, autonom sein.

Deshalb ist der Subjektbegriff kein Erklärungsprinzip der Biologie und nur selten der Psychologie. Diese Wissenschaften verstehen sich als Naturwissenschaften und als diese haben sie sich dem kausalistischen Paradigma unterworfen, das die Existenz selbstbestimmter Entitäten nur als isolierte thermodynamische Systeme zulässt.

Es ist also erforderlich, eine autonome, selbstbestimmte Konstellation mit einer solchen thermodynamischen Ausstattung zu konstruieren, die im Unterschied zum isolierten thermodynamischen System auch Beziehungen zur Umwelt zulässt. Da eine solche Konstellation weder ein isoliertes noch ein offenes thermodynamisches System sein kann, muss sie in einem neuen Begriff abgebildet werden. Um mit diesem Begriff einer selbstbestimmten thermodynamischen Konstellation umgehen zu können, ist ein Wort erforderlich. Ein solcher Begriff kann widerspruchsfrei im Wort „Subjekt“ ausgedrückt werden. Dazu muss aber das Subjekt als physikalische Kategorie definiert werden,

Wie gezeigt werden kann (Litsche 2004), ist ein solcher Begriff des Subjekts geeignet, Eigenschaften wie Autonomie, Selbstbestimmtheit, Wille u.a. als native Eigenschaften bestimmter thermodynamischer Konstellationen zu verstehen.

Ein zweites Problem ist die Frage danach, wodurch sich die Beziehungen von Subjekten zu ihrer Umwelt von den Beziehungen unterscheiden, die zwischen offenen Systemen und deren Umgebung bestehen.

System und Subjekt

Abbildung 1: Offenes thermodynamisches System und Subjekt (grün Zufluss und Abfluss, L Leistung, T Tätigkeit des Subjekts, E/S Energie/Substanz)

Ein offenes thermodynamisches System hat einen Zufluss und einen Abfluss und ist durch diese ist das thermodynamische Gefälle der Umgebung eingeordnet. Zufluss und Abfluss bestimmen die Leistung des Systems, alle Werte können gemessen, die Leistung kann aus Parametern der Umgebung berechnet werden. Durch die Gestaltung von Zufluss und Abfluss kann die Leistung manipuliert werden, das System ist fremdbestimmt.

Das Subjekt vollzieht aus seinem Willen heraus eine Tätigkeit, durch die es Substanz oder Energie auch gegen ein Gefälle der Umwelt aufnimmt. Die Parameter der Umwelt können gemessen, die Tätigkeit kann aber nicht aber aus Parametern der Umwelt berechnet (vorher gesagt) werden. Bei Veränderung der Parameter der Umwelt verändert das Subjekt seine Tätigkeit in selbstbestimmter Weise, es „reagiert“ autonom. Die Reaktionen können nur aus der Beobachtung des Subjekts vorhergesagt (berechnet) werden, nicht aus den Veränderungen der Umwelt.

Pflanzen können beispielsweise Wasser auch aus sehr trockenen Böden gegen ein osmotisches Gefälle jaaufnehmen und dieses gegen die Schwerkraft transportieren. Die Menge des Speichels von Pawlows Hund kann nicht aus der Masse der Klingel berechnet werden, die den Speichelfluss auslöst. Das unterscheidet aber thermodynamische Systeme vom Subjekt. Das Subjekt realisiert thermodynamische Prozesse, die gegen ein Gefälle verlaufen, „bergauf“.

Über Subjekte und offene thermodynamische Konstellationen kann man problemlos reden, solange man sie als „black box“ betrachtet und nicht nach der physikalischen Struktur des Subjekts fragt. In allen mir bekannten früheren Versuchen konnte das Problem der Organisation von physikalischen Prozessen gegen das Gefälle („bergauf“) nicht ohne die Hilfe von Kräften wie der Entelechie oder einer vis vitalis gelöst werden. Wo in der Psychologie Subjekte vorkommen, sind sie masselose Wesen und die Psychologie wird zur „Psychologie ohne Hirnforschung“ /3/.

Wie dem auch sei, um die Natur des (eigenen) Willens zu bestimmen ohne in Widersprüche mit den Paradigmata der Physik zu geraten, muss eine Konstellation von thermodynamischen bergab wirkenden Prozessen konstruiert werden, durch deren Zusammenwirken letztlich die bergauf wirkende Tätigkeit der Subjekte entsteht /6/. Ohne ein solches Konstrukt bleibt jede Definition des Willens außerhalb der Physik.

Diese physikalische Grundlage eines Subjektbegriffs fehlt den verbreiteten neurophysiologischen Erörterungen der Kategorie des (freien) Willens. Das führt entweder auf der einen Seite dazu, die Existenz eines freien Willens überhaupt zu bestreiten und deshalb folgerichtig auch dem Menschen den Willen und damit die Fähigkeit der Selbstbestimmtheit abzusprechen. Die andere Art des Herangehens führt dazu, die Kategorie des Willens außerhalb der Physik anzusiedeln und kommt folgerichtig in letzter Konsequenz zu einer Psyche ohne Gehirn. Die Diskussion um das Manifest führender deutscher Neurophysiologen/4/ und die Antwort einiger Psychologen /5/ in der Zeitschrift „Gehirn und Geist“ ist dafür hinreichend Beleg.

Andere Autoren suchen den Ausweg in quantenmechanischen Prozessen, die sich in der Tiefe neurophysiologischer Entitäten abspielen sollen und deren zufälliger Charakter die Grundlage für die Freiheit von Entscheidungen sein soll. Ohne dieser Argumentation in einzelnen nachzugehen lässt sich einwenden, dass diese Auffassung unreflektiert Autonomie, Selbstbestimmtheit, Willen usw. – kurz die Subjektivität allen Lebewesen abspricht, die nicht über ein Nervensystem verfügen, also nicht nur den Einzellern sondern beispielsweise auch allen höheren Pflanzen. Dieser Zuschreibung sollte zumindest nachvollziehbar begründet werden, denn sie betrifft letztlich die Einheit der biologischen Wissenschaft als der Wissenschaft von allen Lebewesen.

Björn Brembs gehört zu den wenigen Neurophysiologen, die die Frage nach einem freien Willen mittels ernsthafter Experimente untersuchen. Nun hat er angekündigt, dass er sich auch zum Begriff des freien Willens explizit äußern will. Ich bin gespannt, wie er diese Probleme angeht.

   

/1/ Kluge, Gerhard; Neugebauer, Gernot (1994): Grundlagen der Thermodynamik, Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg Berlin Oxford (S.68ff.)

/2/ Litsche, Georg A. (2004): Theoretische Anthropologie, Lehmanns Media-LOB, Berlin

/3/ Wissenschaft im Zwiespalt. Streitgespräch. Gehirn & Geist, Heft 7-8/2005, S. 64/4/ Das Manifest (2004) Elf führende Neurowissenschaftler über Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung. Gehirn & Geist, Heft 6/2004, S.31-37/5/ Psychologie im 21. Jahrhundert – eine Standortbestimmung. Gehirn & Geist, Heft 7-8/2005, S. 56-60/6/ Litsche, Georg (2010) Subjekt und System E-Journal der Website ICHS - International Cultural-historical Human Sciences S.66ff 

Weitere Beiträge zum Thema:

Meine Website „Subjekte“:

Subjekt - System - Information
Warum die Psychologie das Gehirn nicht findet
Warum die Neurophysiologie den Geist nicht findet

Mein Blog „Wille versus Kausalität“

Der tut nix, der will bloß spielen
Freier Wille
Das Erkenntnisbedürfnis und unsere Erkenntnis

 

Kategorie: Allgemein, Erkenntnis, Freier Wille, Kausalismus, Subjekte

15 Reaktionen zu “Der freie Wille und die Physik”

  1. TomGard

    Lieber Georg,
    wenn ich in Ihrem Schaubild zum “zweiten Problem” das thermodynamische System als “dissipative Struktur” setze
    (und ich habe zu bekennen, als Nichtfachmann nur eine unzureichende Vorstellung davon zu haben, da mir die Mathematik dazu abgeht ;), dann entspräche das rechte Schaubild zum “Subjekt” einem oszillierenden System mit den Zuständen “tätig” und “inaktiv”.
    Die Stabilitätsbedingungen der zwei Zustände ergäben sich aus den Stoffflüssen und vermittels dem Verhältnis der jeweiligen Stofflüsse könnte die Tätigkeit aus Umweltparametern vorhersagbar sein. Die “Kreativität”, von der Sie in Litsche 2004 sprechen, würde nach Stabilitätsbedingungen selektiert - wohl nach dem Muster von Symmetriebrechungen, falls ich das recht verstanden habe.
    Anders sähe dann die Sache aus, wenn ein Subjekt 2.Ordnung hinzuträte, dessen Stofflüsse und Tätigkeit auf des Subjekt 1. Ordnung bezogen sind, und zusätzlich von anderer Art, als diejenigen des Sub1. Es entstünde in den Stofflüssen und Tätigkeiten eine informationelle Beziehung zwischen Umwelt und dem geordneten Subjekt. Die “Kreativität” des Gesamtsubjektes wäre entsprechend bedingt abgekoppelt von der Thermodynamik der dissipativen Struktur, ihr Gegenstand wäre nicht mehr ein Umweltbedürfnis, sondern ein Selbstorganisationsbedürfnis.
    Was sagen Sie dazu?

    Herzlichste Grüße
    Thomas Grün

  2. TomGard

    Oops, eben erst schaute ich in “Subjekt und System” ‘rein, da werde ich beim wiederholten Lesen wohl meine Antworten finden ;-)
    lg

  3. Georg

    Hallo Herr Blau,
    vielen Dank für den Kommentar, dessen Inhalt wieder mehrere Artikel erforderte.
    Hier nur Folgendes:
    Inzwischen benutze ich den Terminus „System“ nicht mehr zur Bezeichnung von Subjekten. Subjekte können nicht als Systeme erklärt werden. Hier bin ich inzwischen weiter als in „Subjekt und System“. Genaueres gibt es hier.
    Was die Stoffflüsse betrifft: das Subjekt transportiert Stoffe aktiv, sie fließen nicht. Wenn ich dies nur quantitativ als Stofffluss analysiere, ist das Subjekt weggedacht.
    Ausführlich will ich dieses Problem im Projekt „Subjekt, System, Information“ erörtern, für das der genannte Link der erste Abschnitt ist. Es ziert sich noch, ich hoffe aber noch dieses Jahr „fertig“ zu werden.
    Subjekte als oszillierende Konstellationen aufzufassen, ist wohl zutreffend. Das Schwingen entsteht durch die Selbststeuerung und ist der Beginn der Digitalisierung der Information. Dazu später mehr.
    Freundlichst
    G.L.

  4. Ingo-Wolf Kittel

    meine zuschrift online zu stellen haben sie sich offenbar nicht getraut - interessant; ins system geflosson war sie jedenfalls, wie der rückfluss m/eines tests mir gezeigt hatte. - die flüsse der stoffe durch die schwingenden oszillationen ihrer konstellation haben ‘weiter’ geführt? wohlan denn; oszillationen braucht man ‘viel glück’ dazu und damit gutes gelingen sicher nicht zu wünschen. bg iwk

  5. Georg

    @ Kittel
    Ich weiß nicht, von welcher Zuschrift sie sprechen- und den Rest verstehe ich auch nicht.
    G.L.

  6. TomGard

    Lieber Georg,
    ich denke, ich verstehe Dein Motiv, den Begriff “Konstellation” gegen den Systembegriff zu setzen. Doch ich kann dem Text, den Du mir verlinkt hast, nicht entnehmen, was er zur Klärung des Subjektbegriffes leisten soll und halte die Einführung des Zweckbegriffes im Gegenteil für irreführend.

    Ein einfaches Beispiel mag demonstrieren, wie der Zweckbegriff vom Bedürfnis abgeleitet ist.
    Der einschlägige Laboraffe bekommt eine Banane hingehängt, nach der er mit einem bereitliegenden, zu kurzen Stab vergeblich angelt. Viele Affen sind imstande, das Hindernis mittels Verlängerung des Stabes zu überwinden und schauen sich nach geeigneten Mitteln um. Die Banane zu essen ist das Bedürfnis, sie zu erlangen das Ziel, der Modus der Erlangung ist die Zielsetzung. Die Werkzeugherstellung ist statt auf das Ziel auf die Zielsetzung bezogen, sie folgt einer zweckmäßigen Vorstellung.
    Ist Zweckbestimmung ein terminus technicus der Werkzeugherstellung, ist sie kein Primärbegriff der Subjektivität, im Sinne eines Vermittlungsbegriffes für den Übergang zur entropischen Wende.

    Das gilt erst recht für den kantischen Imperativ, ein Individuum (!) solle, dürfe nur Selbstzweck sein, der, nebenbei bemerkt, ein ideologischer Schmarrn ist, auf den nur ein onanierender Hagestolz kommt (ich mag den Kerl halt nicht).

    Das Bedürfnis in der Bestimmung, die Du in Litsche 04 gabst, setzt die Gegenständlichkeit eines Subjektes mittels Selektion einer Umwelt. Wenn wir den Vorgang geschichtlich setzen, heißt das, das Bedürfnis selektiert einen Ausschnitt der Stabilitätsbedingungen einer dissipativen Struktur.

    Symbolisieren wir uns die dissipative Struktur als eine Schleife in einer Linie, welche das thermodynamische Gefälle darstellt, so haben ihre Stabilitätsbedingungen ein selbständiges Dasein in den internen Schleifenbedingungen, beispielsweise in Amplitude und Frequenz einer Schwingung.
    Diese Selbständigkeit wird sicher im Einzelfall so weit reichen, daß der Output der Schleife sekundäre Schwingungen im thermodynamischen Medium verursachen kann, welche die Stabilitätsbedingungen gegen Störungen abdämpfen, also die Ausgangsstruktur der Schleife erweitern.

    Eine Existenz, im Sinne eines abgeschlossenen Daseins bekommen die Schleifenbedingungen im Stoffwechsel eines reaktiven Bläschens.
    Das von einem reaktiven Bläschen gesetzte Bedürfnis existiert doppelt, einerseits in seinen Gegenständen, andererseits der Organik dieser Gegenstände, doch das reicht m.E. nicht hin, ein Subjekt eindeutig aus der Gegenstandsbeziehung auszuheben, weil das Prädikat “Subjekt-sein” zwar einzelnen Phasen und Zuständen der Stabilitätsbeziehung Bläschen-Umwelt zukommt, aber nicht einer “Zustandsgleichung”. Das Bläschen ist nach wie vor Bestandteil eines thermodynamischen Fließgleichgewichtes. Dies könnte man als ein “organisches Milieu” charakterisieren, dessen Zustandsgleichungen faktoriell in zwei unabhängige Klassen fallen, nämlich eine entropische und eine gegenentropische, ähnlich zweier Raumdimensionen, deren Verknüpfung auf inkommensurable Größen führt.
    Dies ändert sich m.E., wie im 1.Brief angedeutet, mit Bedürfnissen 2ter, vielleicht auch erst 3ter Ordnung (nämlich einer Verknüpfungsebene zwischen 1ter und 2ter Ordnung).
    Die Gliederung des Bläschens (und sei es in Organellen) gibt einer Erweiterung der Ausgangsstruktur, die im Falle dissipativer Strukturen ein Produkt zufälliger, dann erhaltener Resonnanz ist, einen Prozesscharakter. Resonnanz wird notwendiges Attribut der Produkte des internen Zusammenhangs der Kompartimente in der geschlossenen Struktur. Dies Produkt wird vergegenständlicht in den Resorbern und Exkretoren. Zusatzorgane, die Teilvorgänge des Stoffwechsels zum Gegenstand haben, nicht mehr die Gegenstände des Stoffwechsels selbst, entspringen internen Bedürfnissen, deren Gegenstand interne Resonnanzvorgänge sind, die mittels der Zusatzorgane “entäußert” werden. Das Dasein der (von mir aus) Konstellation, das nun Lebensprozess eines Organismus wäre, bekommt einen leiblichen und außerleiblichen Bestandteil. Diesen Ausdruck rechtfertige ich damit, daß der außerleibliche Teil nicht mehr Gegenstand einzelner Bedürfnisse, sondern Produkt des innerleiblichen Zusammenhangs und damit angeeignetes Produkt ist.
    Auf diese Weise ist der Organismus Subjekt nicht “seiner selbst”, sondern seiner Lebensbedingungen.

    Ich will hinzu fügen, daß ich das Subjekt an der Stelle noch nicht für “fertig” halte. Es wird vollendet, wenn vervielfältigung bzw Vermehrung zum Zweck eines Gesamtsubjektes wird. Hier wäre der Zweckbegriff wohl angemessen, hinreichend konkret.

    Resonnanz wäre der Schlüsselbegriff für den Übergang aus der Physik, nämlich vermittels einer prozessierenden Umkehrung ihrer Richtung vermittels der organischen Gliederung.
    vG
    Tom

  7. Georg

    Hallo Tom,
    vielen Dank für Deine lange Zuschrift, auf die ich natürlich im einzelnen eingehen kann, dafür ist ein Blog kein geeignetes Medium, zumal es – wie mir scheint – vielfach um die Klärung von Missverständnissen gehen müsste, die mehrfaches Nachfragen und Antworten erforderte.
    Zwei– nach wie vor im Fluss befindlichen - Gedanken möchte ich doch äußern.
    Erstens:
    Bis vor kurzem habe ich versucht, den Subjektbegriff aus dem Systembegriff abzuleiten (die Begriffe, nicht die Dinge, die sie abbilden!). Die Krise, in die meine Gedanken dabei geraten sind, wurde mir bewusst, als ich nach einiger Zeit meinen letzten Text „Subjekt und System“ (im E-Journal der Website ICHS) mit dem putzigen Versuch, beide auseinander abzuleiten, wieder las.
    Der Grund liegt in dem allgemein verbreiteten und auch von mir nicht bemerkten Fehler des Systembegriffs, diesen durch zwei Merkmale zu bestimmen, nämlich als aus zusammenhängenden Teilen bestehend und als Ganzes, das mehr ist als die Summe dieser Teile, wobei als dieses Mehr verbreitet als die eine oder andere menschliche „Zutat“ bestimmt wird, Typisch dafür ist die Fassung des
    Systembegriffs in Wikipedia
    , die wohl als klassischer Ausdruck umgangssprachlichen Wissen angesehen werden kann.
    Alle daraus abgeleiteten Begriffe „erben“ diese Merkmale, und die sind mit einem Subjektbegriff, der durch Merkmale wie Autonomie, Selbsterhaltung, selbstbestimmt usw. gekennzeichnet ist, logisch nicht verträglich.
    Um die beiden Merkmale des Systembegriffs getrennt „handeln“ zu können, eignet sich der umgangssprachliche Begriff der Konstellation. „System“ ist dann eine Konstellation mit einer menschlichen Zutat. Dann wird die Formulierung „lebendes System“ nur denkbar für künstliches Leben. Lebende Systeme sind dann auch keine Subjekte.
    Zweitens:
    Termini wie „System“, „Subjekt“, „Bläschen“ usw. sind theoretische Begriffe, d.h. sie bezeichnen nichts in der physikalischen Realität sondern sind Erklärungsprinzipien für diese. Dadurch unterscheiden sie sich von Begriffen wie „Lebewesen“, „Koazervat“ usw. letztere haben physikalische Eigenschaften wie Masse und Volumen, ein System oder ein Subjekt sind ohne Masse und Volumen. Das ist wie der Unterschied zwischen Menge und Zahl. 3 Elefanten haben eine Masse, die Zahl „3“ nicht. Leben ist die Seinsweise von Subjekten.
    Lebewesen sind die einzigen unserer Erfahrung zugänglichen Subjekte, ob es auf anderen Himmelskörpern andere Subjekte gibt, wissen wir nicht. Ich habe den Verdacht, wir bemerkten sie im All garnicht, weil wir nicht Subjekte, sondern irdisches Leben suchen.
    Wenn wir also sagen, dass der Mensch ein Subjekt sei, meinen wir, dass er als Subjekt, d.h. als Träger von Autonomie Selbstbestimmtheit usw. zu erklären ist. Wenn wir sagen, der Mensch sei ein Lebewesen, dann meinen wir, dass er atmet, sich ernährt usw.
    Zum Schluss noch eine Frage, welchen Begriff von
    Resonanz
    meinst Du?
    Bis denne“
    G.L.

  8. TomGard

    Hallo Georg,

    verzeih, daß ich mich so lang nicht gemeldet hab. Ich hoffe sehr, es geht Dir gut.

    Du hattest mich mit der Frage nach meinem Resonnanzbegriff ganz schön in Verlegenheit gebracht. Ich hätte gestehen müssen, ihn sehr naiv einer halbverstandenen Rezeption von Friedrich Cramers “Symphonie des Lebendigen” entnommen zu haben.

    Ich bin da “dran”.
    Versuchsweise bescheibe ich Resonnanz heute kurz als das, was mit einer Zustandsgleichung beschrieben wird. Mindestens zwei Vorgänge, die linear zu beschreiben sind, und jeweils Phasen aufweisen, die als zirkuläre Verknüpfung beider zu beschreiben sind, also als der “eingeschwungene Zustand”, steady state, wie er elementar in der akustischen Resonnanz vorliegt. In nichtlinearen Vorgängen gibt es dann steadystate “Keimformen” und damit lande ich, soviel ich global weiß, bei den Julia-Mengen … und muß aussteigen.

    Es ist ein Kreuz, mit einem begrenzten mathematischen Verstand leben zu müssen ;-)

    lg
    Thomas

  9. Wenn die Fliege aber keine Lust hat… - Wille versus Kausalität

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  11. TomGard

    Grüß Dich, Georg
    Kennst Du Lukes et al 2011 “How a Neutral Evolutionary Ratchet Can Build Cellular Complexity”?
    https://docs.google.com/file/d/1UUzjkp36iaZmQZfPwbmBSsfCzslGNEU4tlFy-WIOMQmHt_reO4xIaEGxQZU6/edit?hl=en_US&pli=1

    Mir scheint nach einer vorerst sehr flüchtigen Lektüre, der vorgestellte Beschreibungsrahmen schließt ein Großteil der “Lücke” im Ãœbergang von “Aktivität” und “Tätigkeit”, an dem ich mich weiter oben in abstrakten Figuren abgearbeitet habe, wenn man ihn anhand Deiner Gliederung der Aktivität der zellularen Subjekte vermittels ihrer Repräsentanz in einem mehrzelligen Gesamtsubjekt weiter denkt.

    Ich fänd’s klasse, wenn Du das Papier in Deine Terminologie übersetztest - oder liegt Dir das grad zu weit ab?

    lg
    Thomas

  12. TomGard

    PS: Noch nicht gelesen, aber zum selben Thema von einem Kopf, dem ich jede Menge zutraue:

    http://skepticwonder.fieldofscience.com/2011/05/sticky-proteins-complexity-drama-and.html

  13. Georg

    Richtig
    G.L.

  14. Wolfgang Berg

    Ich entschuldige mich aufrichtig für diesen Kommentar! Aber ich teste einige Software zum Ruhm unseres Landes und ihr positives Ergebnis wird dazu beitragen, die Beziehungen Deutschlands im globalen Internet zu stärken. Ich möchte mich noch einmal aufrichtig entschuldigen und liebe Grüße :-)

  15. big-news.ir

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