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Glauben und Wissen

14. November 2008 - 09:57 Uhr

Woher wissen wir eigentlich, was wir wissen?
Also ich weiß das Meiste vom „Hörensagen“, es hat mir jemand erzählt, ich habe es irgendwo gelesen – und ich lese viel - oder ich habe es im Fernsehen gesehen, das ich auch ausreichend „genieße“. Das Wenigste habe selbst in der Realität überprüft. Ich habe es „geglaubt“. Ich wusste, weil ich glaubte.
Der erste Grund ist mein Vertrauen in meine Quellen. Zuerst waren es meine Eltern und der Rest der Familie, denen ich zunächst blind vertraut habe. Warum meine ich trotzdem, mein Wissen sei zutreffend, „wahr“?
Das so erworbene „Grundwissen“ bildete dann das Kriterium, an dem ich neues Wissen prüfte. Passt es? Ist es logisch mit diesem verträglich? Das Glauben wurde auf diese Weise durch eigenes Nachdenken „begründet“.
Der Inhalt des Wissens war dabei gleichgültig, Wissen über Gott war dem Wissen über die Welt gleichartig und gleichwertig.
Zum Ende der Pubertät änderte sich das. Neue Quellen beispielsweise der wissenschaftliche Unterricht ließen mich verstehen, dass nicht alle Komponenten meines Wissens miteinander verträglich waren. Ich musste mich entscheiden, welchen Quellen ich in Zukunft glauben wollte, den rationalen oder den religiösen.
Ich entschied mich für rationales Wissen und ich konnte nicht verstehen, wie Menschen einen religiösen Glauben haben konnten. So war mir meine Biologielehrerin ein Rätsel, die uns als gläubige Katholikin die Evolution erklärte.
Nun „wusste“ ich die Religion nur noch, die Wissenschaft glaubte ich.
Der rationale Teil meines Wissens war der, von dem ich begründet annahm, dass ich ihn „empirisch verifizieren“ könnte, wenn ich wollte, und den ich deshalb wirklich wüsste.. Der religiöse Teil war dagegen der Teil, von dem ich annehmen musste, dass er prinzipiell nicht empirisch verifizierbar ist und den ich ohne die Möglichkeit der Verifikation hätte nur glauben müssen.
Glauben und Wissen waren so als Religion und Wissenschaft unterschiedliche Qualitäten geworden.
Später stellte ich dann fest, dass es Ereignisse geben konnte, die der Allmacht der Rationalität widerstanden, an die ich geglaubt hatte.
Warum musste meine Mutter so jung sterben? Sie hatte Krebs. Sie hatte geraucht. Das war rational einsichtig, war aber war nicht meine Frage. Warum musste es meine Mutter treffen? Hier fand ich keine rationale Antwort. So hatte ich hatte gar keine Antwort im Gegensatz zu meinen religiösen Verwandten. Der religiöse Glauben hatte Funktionen erfüllt, zu denen der Glaube an die Wissenschaft ungeeignet war.
Auch auf andere Fragen wie die nach dem Sinn des menschlichen oder wenigstens meines Lebens hat die Wissenschaft keine empirisch verifizierbaren Antworten. Solche Fragen muss ich entweder unbeantwortet lassen oder ich gebe mir meine individuelle Antwort, ich bestimme den Sinn meines Lebens selbst.
Es ist schwer, mit unbeantwortbaren Fragen zu leben, für manche Menschen zu schwer. Ihnen kann ein religiöser Glaube helfen, wo der wissenschaftliche versagt. Das sollte auch der Wissenschaftsgläubige akzeptieren und umgekehrt.
Problematisch wird es, wenn Wissenschaft und Religion vor allem in ihren institutionalisierten Formen ihre Domänen verlassen und in fremden Gewässern fischen. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema, wie es z.B. bei Brights in “Eine objektive Ethik ist möglich” behandelt wird.

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