Kategorie: Erkenntnis


Antitheorie Darwinismus

5. Februar 2008 - 11:23 Uhr

Die harscheste Kritik am Darwinismus, die mir in letzter Zeit begegnete, ist die von Robert B. Laughlin, Nobelpreisträger 1998 für Physik in seinem Buch „Abschied von der Weltformel“.

In diesem Buch geht es um den Streit um den Reduktionismus, jene wissenschaftliche Grundhaltung, nach der die Gesetze der verschiedenen Bereiche der Welt letztlich auf  einfache Gesetze der Physik zurückgeführt und aus diesen abgeleitet werden können. War einst (neben der Religion) der Vitalismus die bedeutendste erkenntnistheoretische Alternative des Reduktionismus, so nimmt heute die Emergenz die Stelle der „Vis vitalis“ ein.

Die gemeinsame Grundlage dieses Streits ist die Vorstellung von einer hierarchischen Organisation der Natur in Schichten oder Ebenen, die klar unterscheidbare Bereiche bilden, in denen spezifische Gesetzen gelten, die für genau diesen Bereich zutreffen. Die Frage ist nun, ob zwischen den Gesetzen dieser unterschiedlichen Bereiche oder Schichten Beziehungen der Art gelten, dass die Gesetze des einen  Bereichs aus denen eines anderen (des „grundlegenden“) abgeleitet werden können. Der Reduktionismus beantwortet diese Frage mit einem klaren „Ja“, der Emergentismus mit einem ebenso klaren „Nein“.

Es liegt auf der Hand, dass der Streit entschieden werden könnte, indem die „Weltformel“ gefunden wird und eine gĂĽltige (was immer das sein mag) „Theory of Everything“ (TOE) formuliert ist. Bis dahin kann jeder an seine Antwort nur glauben und die andere als „ideologisch“ abtun. Laughlin meint daher, „…dass ein groĂźer Teil des heutigen biologischen Wissens ideologischer Natur ist. Ein Leitsymptom fĂĽr ideologisches Denken ist die Erklärung, die nichts impliziert und nicht getestet werden kann. Ich be­zeichne solche logischen Sackgassen als Antitheorien, weil sie sich genau gegenteilig auswirken wie richtige Theorien: Sie lassen das Denken zum Stillstand kommen, statt es anzure­gen. Beispielsweise fungiert die von Darwin ursprĂĽnglich als groĂźartige Theorie entworfene Lehre von der Evolution durch natĂĽrliche Selektion in jĂĽngster Zeit eher als Antitheorie. Man zieht sie heran, um peinliche experimentelle Mängel zu ver­bergen und Befunde zu legitimieren, die bestenfalls fragwĂĽr­dig und schlimmstenfalls »noch nicht einmal falsch« sind. Ihr Protein trotzt den Massenwirkungsgesetzen? Das ist das Werk der Evolution! Ihr komplizierter Mischmasch aus chemischen Reaktionen verwandelt sich in ein HĂĽhnchen? Evolution! Das menschliche Gehirn arbeitet nach logischen Prinzipien, die kein Computer nachahmen kann? Ursache ist die Evolution!“ [1] Es geht ihm also nicht um den Darwinismus an sich, was er ist, sondern darum, welche Gestalt dieser heute vielfach angenommen hat, als was er heute „fungiert“. In dieser Form werden mit dem Darwinismus oft Erklärungen vorgetäuscht, wo er keine gibt. Eine umfassende Debatte um die Erklärungsdefizite der Evolutionstheorie findet in der Biologie nur am Rande statt.[2] Umso lebhafter bemächtigen sich Kreationismus und ID dieses Umstands.

Seit Darwin haben die Naturwissenschaften umfangreiche Fortschritte gemacht, durch die wir die Grundlagen des Darwinismus, Mutation und Auslese weitaus tiefer verstehen als Darwin und seine Zeitgenossen. Dadurch wurde aber auch immer deutlicher, worin die Erklärungsdefizite der darwinistischen Evolutionstheorie bestehen. Die „Inputs“ der beiden grundlegenden Kategorien dieser Theorie, Mutation und Auslese sind nicht Gegenstände der Evolutionstheorie, sondern anderer Theorien. Deshalb sind sie in der biologischen Theorie, als biologische Prozesse letztlich unverstanden und können daher die Evolution nicht erklären. Diese Tatsache verschleiert die Biologie, indem sie den Zufall als theoretische Kategorie eingeführt haben. Dazu habe ich hier schon einmal gepostet.

 

Ăśber den Zufall als wissenschaftliche Kategorie schreibt Gerhard Vollmer im Online-Lexikon des Spektrumverlages:

„FĂĽr den wissenschaftlichen Sprachgebrauch muĂź der Zufallsbegriff präzisiert werden. Dabei sind verschiedene Bedeutungen zu unterscheiden…:- Ein Ereignis ist objektiv zufällig, wenn es keine Ursache hat.- Ein Ereignis ist subjektiv zufällig, wenn wir dafĂĽr keine Erklärung haben und auch keine erwarten.

Beiden Begriffen gemeinsam ist die Tatsache, daĂź das Geschehen, soweit wir wissen, auch anders oder gar nicht ablaufen könnte, daĂź es nicht determiniert, nicht „naturnotwendig“ war. … Während aber der objektive Zufallsbegriff die Struktur der Welt beschreibt, bezieht sich der subjektive auf unser Wissen. Zwischen beiden besteht natĂĽrlich ein Zusammenhang: FĂĽr ein ursachloses Ereignis gibt es auch keine Erklärung.

[…]

Zufällig im objektiven Sinne ist aber auch das Zusammentreffen vorher unverbundener Kausalketten. … der Hammer des Dachdeckers fällt (ohne böse Absicht) dem vorĂĽbereilenden Arzt auf den Kopf; ein Gammaquant vom Fixstern Sirius löst in einem Chromosom eine Mutation aus. Obwohl jede einzelne Kausalkette in sich geschlossen und vielleicht vollständig erklärbar ist, bleibt doch das Zusammentreffen dieser lĂĽckenlosen Kausalketten ohne direkte Ursache, also auch ohne Erklärung; es ist zufällig.“ [3]

Diese Form des Zufalls nennt Vollmer „relativer Zufall“

Die Zufälligkeit der Evolutionstheorie ist von dieser Art. Die bekannten Ursachen von Mutationen und von Veränderungen der Umwelt, welche die Richtung der Selektion bestimmen, werden in eigenständigen, nichtbiologischen theoretischen Systemen beschrieben. Ihre Ereignisse sind in Bezug auf die Evolution zufällig.

Die Evolutionstheorie muss sich vielmehr der folgenden Frage stellen:

Käme es auch ohne diese zufälligen Einwirkungen der Umwelt zur Evolution des Lebens?

Wie wäre sie in diesem Fall verlaufen? – Hätte sie z.B. auch zu intelligenten gesellschaftlichen Wesen geführt? Erst mit der Beantwortung dieser Fragen wäre die Evolutionstheorie zu einer Theorie geworden, welche die Evolution auch erklärt.

Für mich ist die reduktionistische Antwort auch die spannendere. Vom Standpunkt der Emergenztheorie aus könnte ich den Reduktionisten nur beim Forschen zusehen und hoffen, dass sie erfolglos bleiben, denn nur so könnte ich im Recht bleiben – unbefriedigend!

  

[1] Laughlin, Robert B. (2007): Abschied von der Weltformel, Piper & Co. Verlag, MĂĽnchen, ZĂĽrich, S. 248f.

[2] vgl. z.B. Gutmann, Wolfgang Friedrich (1995): Die Evolution hydraulischer Strukturen * Organismische Wandlung statt altdarwinistischer Anpassung, Morris, Simon Conway (2003): Life’s Solution / Inevitable Humans in a Lonely Universe, Cambridge University Press, New York und Melbourne, oder Kirschner, Marc. W.; Gerhart, John C. (2007): Die Lösung von Darwins Dilemma, Cambridge University Press, New York und Melbourne und mein Posting dazu!

[3] Gerhard Vollmer: Zufall. Essay, Online-Lexikon,  Download 28.1.2008

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Carsten Könnecker und die Querdenker

27. Januar 2008 - 15:50 Uhr

In der GUTEN STUBE postet Carten Könnecker ĂĽber Wissenschaftler, die den Versuch unternehmen, interdisziplinär zu denken. Und er hat sicher Recht wenn er meint „…dass es wahre Interdisziplinarität nicht zwischen Köpfen, sondern nur innerhalb der einzelnen Köpfe geben kann. Von solchen Köpfen sollte es mehr geben.“ Und weiter schreibt er: „

Was ich hier loswerden möchte, ist eine Erfahrung Northoffs, die leider die meisten Menschen machen, die eine interdisziplinäre oder doppelte Qualifikation erworben haben und an der Uni bleiben: Man passt in keine Schublade und wird mit seinen “seltsamen” Ansichten von den Kollegen auf beiden Seiten belächelt – oder sogar richtiggehend ausgegrenzt. Speziell Wanderer zwischen Natur- und Geisteswissenschaften haben es schwer, weil der Beton in den Köpfen hĂĽben wie drĂĽben oft atomkriegsicher ist. Die Mehrfachqualifikation gereicht zum Nachteil.“

Dem kann ich aus eigener Erfahrung nur zustimmen.

Was gebraucht wird, sind aber nicht nur Köpfe, die interdisziplinär denken, sondern auch Redaktionen, die solche Köpfe auch erkennen und verstehen. Dazu müssen sie sich der Mühe unterziehen, solche Gedanken erst einmal zur Kenntnis zu nehmen. Das ist schwer und manchmal zeitaufwendig, muss man doch Gedankengängen folgen, die einem fremd sind. Da kann im Alltagsgetriebe schon mancher „Quergedanke“ auf der Strecke bleiben und als „unverlangt eingereichtes Manuskript“ abgelegt werden.

Darin liegt ein weiteres Problem, mit dem sich „Querdenker“ plagen. Man verlangt von Ihnen keine Manuskripte, denn die Rubrik, in die sie passen würden und zu der man Beiträge bräuchte, gibt es oft noch nicht. . Aus dem gleichen Grunde werden auch ihre Bücher in den etablierten Zeitschriften nur selten rezensiert. In dieser Situation hat der Querdenker nur zwei Möglichkeiten: Er zieht sich in seinen Schmollwinkel zurück oder er gibt keine Ruhe, und wird so leicht vom Querdenken zum Querulant.

Wer aber außer den Redaktionen wissenschaftlicher Zeitschriften kann dazu beitragen, den „Beton in den Köpfen“ abzubauen? Wenn sie sich dieser Verantwortung stellen, wird aus manchem unverlangten Manuskript ein verlangtes werden.

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Haben Tiere Bewusstsein?

23. Dezember 2007 - 10:50 Uhr

In SpektrumDirekt vom 20.12.07 berichtet Tanja Krämer über Untersuchungen der Variation des Gesangs japanischer Mövchen (Lonchura  striata var. domestica). Die Sache wäre an sich für mich nicht besonders interessant, wenn sie dazu nicht Termini wie „Absicht“ und „bewusst“ verwendet hätte. Was einem etablierten Verhaltensbiologen, der in den Kategorien des Behaviorismus denkt, vielleicht ein müdes Lächeln entlockt hätte, das provoziert einen mich,  der über die paradigmatische Situation der Biologie nachdenkt, geradezu zu der Frage, was denn im Verhalten von Vögeln „bewusst“ genannt werden könnte. Wir sind ja nicht einmal imstande, eine einigermaßen konsensfähige Definition des menschlichen Bewusstseins hinzukriegen, obwohl wir doch alle über ein solches verfügen.

Wenn wir von unserer Kenntnis über unser jeweils eigenes Bewusstsein ausgehen, dem einzigen, das uns in unserer Erfahrung gegeben ist, dann wird man wohl die Frage verneinen müssen, ob Vögel über etwas gleichartiges verfügen, ja ob überhaupt Tiere über mentale Fähigkeiten verfügen, die unserem Bewusstsein gleichartig sind.

Andererseits weisen die zitierten und andere Untersuchungsergebnisse sowie unsere alltäglichen Erfahrungen mit Tieren darauf hin, dass es im mentalen Bereich der Tiere funktionelle Komponenten geben muss, die das Tier zu Leistungen befähigen, für die wir unser Bewusstsein benutzen. Eben das bringt uns dazu, diese Leistungen mit Termini zu beschreiben, mit denen wir auch unsere mentalen Prozesse beschreiben. Nur – ist das berechtigt? Ist das überhaupt zulässig? Schreiben wir damit den Tieren nicht Eigenschaften und Fähigkeiten zu, über die sie noch nicht verfügen und noch nicht verfügen können, jedenfalls dann nicht, wenn wir die Theorie der Evolution ernst nehmen.

In jedem Fall sollten Tiere aber ĂĽber eigenständige mentale Fähigkeiten verfĂĽgen, aus denen im Verlaufe der Evolution das menschliche Bewusstsein hervor gegangen ist. Solche Vorformen des Bewussten sollte es in unterschiedlicher Ausprägung geben, ähnlich wie GliedmaĂźen oder Verdauungsorgane in unterschiedlicher Ausprägung vorkommen. FĂĽr diese haben wir auch unterschiedliche Bezeichnungen wie “Flossen”, “Hufe”, “Tatzen” oder “Honigmagen” und “Pansen”. FĂĽr die unterschiedlichen mentalen Zustände dieser Tiere haben wir keine Worte. Und deshalb können wir die Frage nach dem Bewusstsein der Tiere nicht beantworten, wir wĂĽssten gar nicht, welche Worte wir fĂĽr die anzunehmenden mentalen Prozesse beispielsweise der Fliegen mit dem eigenen Willen benutzen sollten.

Die fehlenden Worte stehen für fehlende Begriffe. Wir wissen gar nicht, wofür wir überhaupt Worte bräuchten, weil wir nicht den Schatten einer Idee haben, welche mentalen Prozesse tierischem Verhalten zugrunde liegen. Das wird auch so  bleiben, solange Verhaltensbiologie und Psychologie ihre Untersuchungen reduktionistisch anlegen und die mentalen Funktionen aus der Erforschung der Teile des Nervensystems ableiten wollen. Das diesem Vorgehen zugrunde liegende kausalistische Paradigma hat in den letzen 100 Jahren allen „Manifesten“ zum Trotz und bei allen Fortschritten des Technischen aber keinen ernsthaften Beitrag zum Verständnis mentaler Prozesse geleistet. Wir verstehen weder das menschliche Bewusstsein noch die tierische Psyche. Wir haben auf diesem Wege zwar eine Fülle von Daten produziert. Von diesen kann man aber, um eine Formulierung Laughins zu benutzen, höchstens sagen, dass sie „nicht einmal falsch sind“, denn es fehlt ein begriffliches und terminologisches System der Psyche, des Mentalen, aus dem Daten vorhersagbar sind und in dem die Daten experimenteller Untersuchungen eine Bedeutung erhalten. So können Daten mangels einer Theorie auch keine Theorie verifizieren. Wozu sind sie aber dann nütze? Ohne ein theoretisches System sind solche Daten bedeutungslos, so bunt die Bilder auch sein mögen.

Die Eignung des reduktionistischen Paradigmas zur Lösung von Fragen nach dem Mentalen im tierischen Verhalten wird heute nicht nur von Kreationisten und ID- Apologeten in Zweifel gezogen, sondern vor allem auch von ernsthaften Naturwissenschaftlern. So hat der Physiknobelpreisträger 1998 Robert Lauglin in seinem Buch „Abschied von der Weltformel“ (Piper 2007) gezeigt, dass dieses Paradigma nicht einmal mehr ausreicht, die moderne Physik hinreichend abzubilden. Der Biochemiker Stuart Kauffmann hat dies auch für die Biologie gezeigt, z.B. in „Der Öltropfen im Wasser“ (Piper 1996). Um wie viel weniger ist das Kausalitätsparadigma dann ungeeigneter, Fragen nach Psyche und Bewusstsein zu beantworten.

 

Allen meinen Lesern wĂĽnsche ich ein Frohes Weihnachtsfest und alles Gute fĂĽr 2008. Ich melde mich erst Ende Januar wieder.

 

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Ursachen der Evolution

13. Dezember 2007 - 10:52 Uhr

Björn Kröger stellt in seinem Blog „tiefes Leben“ die alte Frage nach den Ursachen der Evolution. Zum Schluss schreibt er:

„Wenn unsere Fragen, dagegen vom Trigger weggehen, dann wird es kompliziert. Dann dauert es möglicherweise Jahre bis genügend Daten zusammen sind um eine Faunenanalyse anzustellen, oder wir müssen ganz unspektakulär und ohne viel Hightech auf regionaler Ebene die Veränderungen in den Ökosystemen untersuchen. Und was dabei herauskommt lässt sich schwer verkaufen, weil es widersprüchlich, kompliziert und schwer verständlich ist. Wollen wir so etwas wissen?“

Ich schon!

Vor allem finde ich interessant, dass er sich Ursachen denken kann, die außerhalb des Bereichs der üblichen Verdächtigen wie dem Klima und anderen Katastrophen liegen. Damit ist er nicht allein, seit Uexküll gab und gibt es immer wieder Denkansätze, die in diese Richtung zielen und Evolution nicht oder nicht ausschließlich als Folge zufälliger Umweltveränderungen betrachten. Einige habe ich hier zusammengetragen.

Wie kommt es eigentlich zur Frage nach den Ursachen der Evolution? Diese Frage entspringt dem naturwissenschaftlichen Paradigma der Kausalität, das besagt, dass jede Erscheinung auf der Welt eine natürliche Ursache außer ihr, eben einen „Trigger“ haben muss. Also auch die Evolution. Als zulässige Antworten lässt dieses Paradigma nur die Angabe ebenfalls natürlicher Ereignisse zu, die das zu erklärende Ereignis hervorrufen und es so erklären. Eine Antwort der Art, dass es solche Ereignisse nicht gibt, weil die „Ursache“ des zu erklärenden Ereignisses in ihm selbst liegt, ist in diesem Paradigma unzulässig. Wenn die Wissenschaft eine Ursache noch nicht kennt, führt sie Hilfskonstruktionen ein: den Zufall, die Emergenz, den Kollaps der Wellenfunktion usw.

Der britische Paläontologe Simon Conway Morris schreibt zu Fragen, die auf die Ursachen der Evolution zielen: “Es gibt Fragen, die sind rein rhetorisch, und andere, die sind einfach dumm. Was die im Titel dieses Beitrags formulierte Frage (Sind Menschen ein unvermeidliches Ergebnis der Evolution? – G.L.) angeht, so vertritt die ĂĽberwiegende Meinung unter den Evolutionsbiologen mit groĂźer Sicherheit und Gelassenheit die Meinung, daĂź sie zur zweiten Kategorie gehört: Menschen sind nicht unvermeidlicher als Aasgeier oder Schimmelpilze. Diese Ansicht ist auf den ersten Blick vollständig konsistent mit dem gegenwärtigen Denken, das betont, wie sehr die Evolution als ein historischer ProzeĂź im ganzen durch zufällige Prozesse im einzelnen bestimmt wird.” (Morris, Simon Conway (2003): Die Konvergenz des Lebens. In: Fischer & Wiegandt (Hrsg.): Evolution  Geschichte und Zukunft des Lebens, S. 128) Wie man aus dem Zitierten folgern kann, ist Morris der Ansicht, dass die Evolution im Gegenteil ein gerichteter Prozess ist und ihre Ergebnisse keineswegs zufällig sind. Aber lest doch selbst: Simon Conway Morris: (2003): Life’s Solution / Inevitable Humans in a Lonely Universe, Cambridge University Press, New York und Melbourne. (Soll 2008 in Deutsch erscheinen.)

Es geht nicht darum, das Paradigma der Kausalität aufzuheben, sondern darum, dass es ungeeignet ist, den Rahmen für das Verstehen von Lebensvorgängen wie der Evolution zu bilden. Das Leben ist kausal nicht oder zumindest nicht vollständig erklärbar. Man muss die spanischen Stiefel des Kausalismus ablegen, wenn man sich auf die Suche  nach weiteren Formen der Determiniertheit zwischen Zufall und Kausalität machen will. Wenn man nur danach suchte, würde man sie auch finden – auch wenn es sich schwer verkauft. Wer gibt schon Geld für ein Projekt, das die Richtung der Evolution herausfinden will – wo doch „jeder“ weiß, dass es keine gibt.

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Voraussagen und erklären

1. Dezember 2007 - 10:28 Uhr

regenbogenschlange_2.jpg

Als ich mir wieder einmal meine Urlaubsfotos ansah, fiel mir auch das Bild mit der Regenbogenschlange aus dem australischen Kakadu - Nationalpark in die Hand. Ich erinnerte mich an die Geschichten aus der Mythenwelt der Aborigines, die uns der Guide erzählt hatte. Diese haben schon lange mein Interesse geweckt, sind sie doch die älteste Kultur, die es auf unserer Erde gibt.

 

30.000 Jahre ununterbrochene Weitergabe eines Weltbildes, welches das Überleben einer Gesellschaft in einer sehr komplizierten Umwelt gewährleistet hat. Das erfordert auch Erklärungen und erfolgreiche Voraussagen über zu erwartende Ereignisse.

Lanius berichtet z.B. darüber, wie die Aborigines Zeugung und Empfängnis erklären. Beides besteht in den Vorstellungen der Aborigines aus einem biologischen und einem spirituellen Teil. Letzterer beruht auf der Vorstellung eines Geistkindes. Geistkinder sind nicht als materielle Wesen aufzufassen, die als Keime oder Vorformen realer Babys existieren. Sie sind immaterielle Wesen, die sich bevorzugt an besonders fruchtbaren Orten befinden, wo sie durch die mythischen Ahnen hinterlassen wurden

Eine alte Aborigine erklärte dazu: Ja, ich weiß, was der Weiße sagt, aber ich glaube nicht, dass er recht hat. Wenn es stimmen würde, müssten verheiratete Frauen andauernd Kinder bekommen, weil sie ja ständig mit ihren Ehemännern zusammenleben. Aber das ist nicht der Fall. Einige Frauen haben viele Kinder, manche nur wenige und wieder andere haben gar keine. Der Weiße kann das nicht erklären, aber wir schon. Wenn eine unserer Frauen viele Babys hat, wissen wir, dass sie ein Liebling der muri, der kleinen Geistkinder, ist. Wenn eine andere nur wenige Kinder hat, wollen nur ein paar muri sie als Mutter. Und wenn eine Frau gar keine Kinder bekommt, dann weiß jeder, dass die kleinen Geistkinder sie nicht mögen. Nein-, so kam die alte Dame zu dem Schluss, ich glaube nicht, dass der Weiße recht hat, denn er kann das alles nicht erklären, wir aber schon. (Nach Lanius, Karl (Leipzig 2005): Weltbilder,  S 42 ff.)

Wir haben ungezählte wissenschaftliche Erklärungen zur Hand, warum es aber gerade die eine Frau trifft und die andere nicht, das bleibt in unserem wissenschaftlich geprägten Erkenntnissystem dem „Zufall“ überlassen.

Die Aborigines brauchen Zufall nicht zu bemühen, um zu erklären, warum eine Frau keine Kinder bekommen kann. Mehr und anderes Wissen war nicht erforderlich, um überleben zu können. Was zufällig ist und was voraussagbar, wird von dem Erkenntnissystem bestimmt, in dem das zu erklärende Ereignis erklärt wird. Nicht das Ereignis ist zufällig, nur seine Stellung in unserem Weltbild (mehr>>).

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