Kategorie: Kausalismus


Zwei Kulturen - zwei Sprachen

9. März 2008 - 18:18 Uhr

In der „GUTEN STUBE“ äußert sich Ferdinand Knauß sehr polemisch über das Verhältnis von Natur- und Geisteswissenschaften. Arroganz und Ignoranz einzelner Wissenschaftler helfen zwar nicht, den nach wie vor bestehenden tiefen Graben zwischen diesen zuzuschütten, sind aber nicht dessen Ursache, sondern eher seine Folgen.

 

Eine Ursache für die zwischen ihnen bestehende Sprachlosigkeit dürfte darin liegen, dass Natur- und  Geisteswissenschaften in verschiedenen Welten beheimatet sind, in denen sie sich nur untereinander und in ihrer Sprache unterhalten. Nur gelegentlich treffen sich einzelne mutige Vertreter beider Welten und tauschen Monologe aus, meist ohne den Anderen wirklich zu verstehen. Um einen Dialog zu führen, bräuchten sie eine gemeinsame Sprache. Manche Naturwissenschaftler meinen nun, ihre Sprache, die Sprache der Naturwissenschaft, sei auch dazu geeignet, die Inhalte der Geisteswissenschaften zu beschreiben. Es würde daher reichen, wenn die Geisteswissenschaftler die Sprache der Naturwissenschaften erlernten, dann könnte sie ihre Inhalte ja in „naturwissenschaftlich“ übersetzen. Das jedoch weisen diese empört zurück.

Vielleicht könnten die Naturwissenschaftler ihre Inhalte stattdessen in „geisteswissenschaftlich“ übersetzen? Das aber geht auch nicht, denn in der Sprache der Geisteswissenschaften finden sich keine Termini, in die naturwissenschaftliche Termini wie „Masse“ oder „Energie“ übersetzt werden könnten, haben doch die Gegenstände der Geisteswissenschaften weder Masse noch Energie. Geist und Seele kann man nicht messen und wiegen, und ohne Messen und Wiegen kann man keine Naturwissenschaft betreiben.[1]

 

Wenn beide statt übereinander auch miteinander reden wollen, brauchen sie offensichtlich eine gemeinsame Sprache. Das muss eine dritte Sprache sein, die Termini enthält, in denen beide ihre Inhalte ausdrücken können. So eine Sprache ist beispielsweise die Mathematik, deren Begriffe die Anzahl von Entitäten unabhängig davon abbilden, ob sie eine Masse haben oder nicht. Mit der Zahl „3“ können Atome,  und Galaxien aber auch Ideen oder Seelen gezählt werden. Da gibt es keine Missverständnisse.

Man braucht also Begriffe, die Entitäten unabhängig von ihrer substanziellen Beschaffenheit abbilden. So ein verbindender Begriff ist der Begriff des Systems. Dieser Begriff  kann beliebige Entitäten abbilden, ein System von Atomen ebenso wie ein System von Ideen. Dass die Systemtheorie in ihrem gegenwärtigen Zustand dazu noch nicht ausreichend geeignet ist, ändert daran nichts. Eine auf einem geeigneten Systembegriff  aufbauende Systemtheorie sollte wohl ausgearbeitet werden können.

 

Die Sprache einer solchen Systemtheorie würde es zwar ermöglichen, dass Natur- und Geisteswissenschaftler Monologe formulieren, die der jeweils andere auch versteht, aber sie werden noch immer von verschiedenen Systemen sprechen, wenn auch in einer gemeinsamen Sprache. Die Sprache der Systemtheorie allein ermöglicht noch keinen Dialog. Dazu ist eine Sprache erforderlich, in der Systeme beider Art miteinander verbunden werden können.

Ein dazu geeigneter Begriff ist ein systemtheoretischer Begriff des Subjekts. Das Subjekt muss darin als Kategorie abgebildet werden, die physikalisch messbar ist und zugleich Ideelles hervorbringt. Das ist die native Aufgabe der Biologie. Zumindest die „höheren“ Tiere sind naturwissenschaftlich beschreibbare Systeme, die mittels ihrer Psyche Ideelles hervorbringen. Dazu aber muss die Biologie einen Begriff der Psyche entwickeln, der diese als biologische Funktion von Lebewesen abbildet. Dazu muss die Biologie das Leben als die Seinsweise von Subjekten verstehen. Das ist innerhalb des Paradigmas der Kausalität nicht möglich. Dazu muss man den Willen von Subjekten als messbare Kategorie definieren und neben der kausalen Determination als volitive Determination etablieren, die durch die Tätigkeit der Subjekte realisiert wird. Beiträge dazu habe ich auf meiner Website veröffentlicht.

  

[1] Der aktuelle Stand der Diskussion kann gut in „Gehirn und Geist“ nachgelesen werden. Sie erhielt im Jahr 2004 durch ein „Manifest führender Neurophysiologen“ und eine Antwort von Psychologen neuen Auftrieb. Meinen Standpunkt habe ich auf meiner Website dargelegt (Zum „Manifest“ und zur Antwort der Psychologen)

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Das Erkenntnisbedürfnis und unsere Erkenntnis

26. Februar 2008 - 10:32 Uhr

Unser Erkenntnisbedürfnis ist primär darauf gerichtet, beobachtbare Ereignisse zu verstehen, sie erklären und vorhersagen zu können. Nur wenn eine Erkenntnis das leistet, wird das Erkenntnisbedürfnis befriedigt, die Erkenntnis wird angenommen, sie wird angeeignet. Ein Erkenntnisbedürfnis erwächst aus dem Erkenntnissystem, das als „geistige Heimat“ des Erkennenden Paradigma seines Denkens ist. (vgl auch meinen Blogeintrag!) Ein Evolutionsbiologe wird beispielsweise die Mitteilung, dass Menschen- und Saurierknochen in derselben geologischen Schicht gefunden wurden, wohl ohne jede weitere Prüfung in das Reich der Märchen verweisen, während ein Kreationist sie ebenso ohne jede weitere Prüfung als unwiderlegbaren Beweis seiner Auffassung bejubeln würde.

 

Das unserem wissenschaftlichen Denken zugrunde liegende Paradigma ist das Kausalitätsparadigma. In diesem Paradigma muss jede Erklärung ihren Platz finden. In diesem Paradigma hat ein Subjekt mit eigenem Willen und eigenen Bedürfnissen jedoch keinen Platz, von ihm wird abstrahiert. Dieser Abstraktion vom Subjekt und seinem Bedürfnis fällt nun auch das Erkenntnisbedürfnis selbst zum Opfer. Wir reflektieren es nicht mehr und bedenken beim Erkennen nicht mehr, dass wir nicht nach einer beliebigen wahren Erkenntnis suchen, sondern nach einer kausalen Erklärung. Alle nichtkausalen Erklärungen werden vor allem in den Naturwissenschaften als „metaphysisch“ und damit als unwissenschaftlich, eben als subjektiv betrachtet und zurückgewiesen. Sie befriedigen das Bedürfnis nach „objektiver“ Erkenntnis nicht. Dabei wird nicht reflektiert, dass es eben dieses subjektive Bedürfnis des erkennenden Naturwissenschaftlers ist, mit dem er eine Erkenntnis bewertet. Wir suchen sucht keine beliebige Erkenntnis, sondern eine kausalistische. Dieses Bedürfnis bestimmt, was wir wissen wollen (selbst wenn wir die Existenz eines eigenen Willen bestreiten). Dabei bemerken wir gar nicht, in welche spanischen Stiefel unser Wollen unser Denken gezwängt hat.

Diese Abstraktion vom Subjektiven ist aber nur in reflektierter Form – und nur in dieser – und nur solange berechtigt, solange keine Subjekte im Spiel sind.

 

Das wird beispielsweise in den Debatten um den Systembegriff deutlich. Man strebt „selbstverständlich“ einen „naturwissenschaftlichen“, „objektiven“ und das heißt. kausalistischen Systembegriff an, den Begriff eines „Systems ohne Subjekt“. Ein solcher Begriff muss aber unvollständig bleiben, weil Merkmale wie „Funktion“ oder „Sinn“ das Subjekt als Bezugsgröße erfordern und rein kausalistisch nicht zu beschreiben sind. Dieses Hindernis wird nun mit den verschiedensten Krücken zu umgehen versucht. Der „objektive Beobachter“ ist dabei noch die ungefährlichste weil halbherzige Scheinlösung. Mag diese Lösung für Quantenphysik und Relativitätstheorie noch angehen, wird sie für Wissenschaften von Subjekten wie Biologie oder Psychologie zur tödlichen Gefahr.

 

Ein anderer Ansatz besteht darin, das Subjekt mit dem Begriff „Systemtheorie 2. Ordnung“ in die Systemtheorie einzuführen. Dieser Ansatz erfordert aber, um vollständig zu sein, das Konstrukt eines „Beobachters des Beobachters“ usw., was schließlich zu einem unendlichen Regress führt. Dieser kann nur aufgehoben werden, wenn das Subjekt auch als „Ich“ begriffen wird. Ich bedarf der Erkenntnis für mein Erkenntnisbedürfnis, denn die Erkenntnis befriedigt mein Erkenntnisbedürfnis nur dann, wenn sie das Ereignis in meinem Erkenntnissystem erklärt. Dann aber wäre der Subjektbegriff aber „subjektiv“, für jeden gäbe es dann einen anderen. Deshalb bleibt dieser Systembegriff entweder unvollständig oder widersprüchlich.

 

In den biologischen Wissenschaften wird das Leben (das lebende System) in das Kausalitätsparadigma eingeordnet und ebenfalls auf die kausalistische Denkfigur „Ursache – Wirkung“ abgebildet. Dieser Position ist stets widersprochen worden. Dieser Streit der Positionen ist als „Mechanismus – Vitalismus – Streit“ Teil der Geschichte der Biologie [1]. Heute spielen in der Biologie Positionen, die sich (noch oder schon wieder) als vitalistisch outen,  keine bedeutende Rolle mehr. Der Vitalismus wird gelegentlich von der Emergenztheorie  ersetzt. Gelöst ist die Frage nach der Natur des Lebendigen dadurch nicht, das Problem wird nur verschwiegen. Damit aber ist der Tummelplatz geschaffen, auf dem sich die Apologeten des ID und andere Kreationisten austoben.

 

Noch deutlicher wird die Unhaltbarkeit des Versuchs, in der wissenschaftlichen Erkenntnis vom Subjektiven zu abstrahieren, in den psychologischen Wissenschaften.[2] Es ist die gemeinsame Überzeugung von Psychologen und Erkenntnistheoretikern, dass Psyche und Geist – was immer das sein mag -  auf jeden Fall immaterieller Natur sind, deren Gesetze nicht auf die Gesetze der Naturwissenschaften zurückgeführt werden und die nicht oder zumindest nicht ausschließlich in der Sprache der Naturwissenschaften dargestellt werden können. Zugleich aber will man nicht darauf verzichten, diese Gegenstände mit den Methoden der Naturwissenschaften zu untersuchen. Besonders die Psychologie versteht sich selbst als Naturwissenschaft.

Wenn wir die Welt so erkennen wollen, wie sie wirklich ist, wenn das unser Erkenntnisbedürfnis ist, dann reicht der Kausalismus allein nicht aus. Wir werden wir uns unweigerlich dem Subjekt zuwenden müssen und dieses in unser wissenschaftliches Denken einbeziehen, denn unsere Welt von heute ist eine Welt mit Subjekten, die die Welt zunehmend nach ihrem Willen gestalten und erkennen. Unsere Welt ist eine gestaltete und erkannte Welt.

 

[1] Eine gute Übersicht findet man in einem Essay von Franz M. Wuketits im Spektrum Online-Lexikon (kostenpflichtig).

[2] Der aktuelle Stand der Diskussion kann gut in „Gehirn und Geist“ nachgelesen werden. Sie erhielt im Jahr 2004 durch ein „Manifest führender Neurophysiologen“ und eine Antwort von Psychologen neuen Auftrieb. Meinen Standpunkt habe ich hier und hier dargelegt.

 

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Haben Tiere Bewusstsein?

23. Dezember 2007 - 10:50 Uhr

In SpektrumDirekt vom 20.12.07 berichtet Tanja Krämer über Untersuchungen der Variation des Gesangs japanischer Mövchen (Lonchura  striata var. domestica). Die Sache wäre an sich für mich nicht besonders interessant, wenn sie dazu nicht Termini wie „Absicht“ und „bewusst“ verwendet hätte. Was einem etablierten Verhaltensbiologen, der in den Kategorien des Behaviorismus denkt, vielleicht ein müdes Lächeln entlockt hätte, das provoziert einen mich,  der über die paradigmatische Situation der Biologie nachdenkt, geradezu zu der Frage, was denn im Verhalten von Vögeln „bewusst“ genannt werden könnte. Wir sind ja nicht einmal imstande, eine einigermaßen konsensfähige Definition des menschlichen Bewusstseins hinzukriegen, obwohl wir doch alle über ein solches verfügen.

Wenn wir von unserer Kenntnis über unser jeweils eigenes Bewusstsein ausgehen, dem einzigen, das uns in unserer Erfahrung gegeben ist, dann wird man wohl die Frage verneinen müssen, ob Vögel über etwas gleichartiges verfügen, ja ob überhaupt Tiere über mentale Fähigkeiten verfügen, die unserem Bewusstsein gleichartig sind.

Andererseits weisen die zitierten und andere Untersuchungsergebnisse sowie unsere alltäglichen Erfahrungen mit Tieren darauf hin, dass es im mentalen Bereich der Tiere funktionelle Komponenten geben muss, die das Tier zu Leistungen befähigen, für die wir unser Bewusstsein benutzen. Eben das bringt uns dazu, diese Leistungen mit Termini zu beschreiben, mit denen wir auch unsere mentalen Prozesse beschreiben. Nur – ist das berechtigt? Ist das überhaupt zulässig? Schreiben wir damit den Tieren nicht Eigenschaften und Fähigkeiten zu, über die sie noch nicht verfügen und noch nicht verfügen können, jedenfalls dann nicht, wenn wir die Theorie der Evolution ernst nehmen.

In jedem Fall sollten Tiere aber über eigenständige mentale Fähigkeiten verfügen, aus denen im Verlaufe der Evolution das menschliche Bewusstsein hervor gegangen ist. Solche Vorformen des Bewussten sollte es in unterschiedlicher Ausprägung geben, ähnlich wie Gliedmaßen oder Verdauungsorgane in unterschiedlicher Ausprägung vorkommen. Für diese haben wir auch unterschiedliche Bezeichnungen wie “Flossen”, “Hufe”, “Tatzen” oder “Honigmagen” und “Pansen”. Für die unterschiedlichen mentalen Zustände dieser Tiere haben wir keine Worte. Und deshalb können wir die Frage nach dem Bewusstsein der Tiere nicht beantworten, wir wüssten gar nicht, welche Worte wir für die anzunehmenden mentalen Prozesse beispielsweise der Fliegen mit dem eigenen Willen benutzen sollten.

Die fehlenden Worte stehen für fehlende Begriffe. Wir wissen gar nicht, wofür wir überhaupt Worte bräuchten, weil wir nicht den Schatten einer Idee haben, welche mentalen Prozesse tierischem Verhalten zugrunde liegen. Das wird auch so  bleiben, solange Verhaltensbiologie und Psychologie ihre Untersuchungen reduktionistisch anlegen und die mentalen Funktionen aus der Erforschung der Teile des Nervensystems ableiten wollen. Das diesem Vorgehen zugrunde liegende kausalistische Paradigma hat in den letzen 100 Jahren allen „Manifesten“ zum Trotz und bei allen Fortschritten des Technischen aber keinen ernsthaften Beitrag zum Verständnis mentaler Prozesse geleistet. Wir verstehen weder das menschliche Bewusstsein noch die tierische Psyche. Wir haben auf diesem Wege zwar eine Fülle von Daten produziert. Von diesen kann man aber, um eine Formulierung Laughins zu benutzen, höchstens sagen, dass sie „nicht einmal falsch sind“, denn es fehlt ein begriffliches und terminologisches System der Psyche, des Mentalen, aus dem Daten vorhersagbar sind und in dem die Daten experimenteller Untersuchungen eine Bedeutung erhalten. So können Daten mangels einer Theorie auch keine Theorie verifizieren. Wozu sind sie aber dann nütze? Ohne ein theoretisches System sind solche Daten bedeutungslos, so bunt die Bilder auch sein mögen.

Die Eignung des reduktionistischen Paradigmas zur Lösung von Fragen nach dem Mentalen im tierischen Verhalten wird heute nicht nur von Kreationisten und ID- Apologeten in Zweifel gezogen, sondern vor allem auch von ernsthaften Naturwissenschaftlern. So hat der Physiknobelpreisträger 1998 Robert Lauglin in seinem Buch „Abschied von der Weltformel“ (Piper 2007) gezeigt, dass dieses Paradigma nicht einmal mehr ausreicht, die moderne Physik hinreichend abzubilden. Der Biochemiker Stuart Kauffmann hat dies auch für die Biologie gezeigt, z.B. in „Der Öltropfen im Wasser“ (Piper 1996). Um wie viel weniger ist das Kausalitätsparadigma dann ungeeigneter, Fragen nach Psyche und Bewusstsein zu beantworten.

 

Allen meinen Lesern wünsche ich ein Frohes Weihnachtsfest und alles Gute für 2008. Ich melde mich erst Ende Januar wieder.

 

4 Kommentare » | Erkenntnis, Evolution, Freier Wille, Kausalismus, Psyche, Verhaltensbiologie

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