Subjekt und Instinkt III: Tätigkeitstheorie

Während im westlichen Europa die Auseinandersetzung mit der kausalistischen Biologie in der Verhaltensbiologie und der Neurophysiologie geführt wurde, ging man in der Sowjetunion das Problem auch von Seiten der Psychologie an.

Wie in der Biologie erstarkte auch in der Psychologie die behavioristisch orientierte Richtung, welche die Psychologie mit den Methoden der kausalistischen Naturwissenschaften betrieb. Vygotskij hat das in seiner „Krise der Psychologie“ umfassend analysiert, und  seine Analyse hat bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren.

Leont´ev ging das Problem der Psyche von Seiten der Biologie an. Obwohl „gelernter Psychologe“ legte er seinen Überlegungen eine umfangreiche Recherche der Verhaltensbiologie seiner Zeit zugrunde/1/. Leont´ev ging davon aus, dass das Psychische eine spezifische Eigenschaft des Lebendigen ist. Diese Bestimmung war natürlich nicht innerhalb einer Biologie möglich, die das Leben kausalistisch auffasste. Im klassisch-physikalischen Denkrahmen von Ursache und Wirkung ist das Psychische auch nicht als biotische Eigenschaft unterzubringen. Auch Leont´ev musste den kausalistischen Denkrahmen verlassen.

Dazu entwickelte er zunächst seine Vorstellung vom Lebendigen.

 „In der anorganischen Welt stehen die an der Wechselwirkung beteiligten Körper in prinzipiell gleichem Verhältnis zueinander. Das Verhältnis des lebenden Körpers wandelt sich dagegen auf der Stufe des organischen Lebens. Der organische Körper verändert sich, indem er sich selbst erhält, wächst und vermehrt; es handelt sich bei ihm um einen aktiven Prozeß. Der unbelebte Körper dagegen wird durch äußere Einwirkungen verändert. Dieser Sachverhalt läßt sich auch anders ausdrücken: Der Ãœbergang von den Formen der Wechselwirkung, die der anorganischen Welt eigen sind, zu Formen, wie sie für die lebende Materie typisch sind, findet seinen Ausdruck in der Tatsache, daß einerseits ein Subjekt und andererseits ein Objekt der Einwirkung hervorgehoben werden kann.“ (S. 26)„Man kann deshalb das Sein eines Lebewesens nicht nur objektiv, als einen passiven, wenn auch einen fühlenden Prozeß betrachten, sondern muß es unter dem Gesichtspunkt eines sein Leben erhaltenden Subjekts sehen.“ (S.27)„Wir werden die spezifischen Prozesse, die ein Lebewesen vollzieht und in denen sich die aktive Beziehung des Subjekts zur Wirklichkeit äußert, von anderen Vorgängen abgrenzen und als Prozesse der Tätigkeit bezeichnen…. Die grundlegende „Einheit“ des Lebensprozesses ist die Tätigkeit des Organismus“( Leont´ev, S. 29) 

Anstelle der Kategorie der Kausalität benutzt Leont´ev die der Wechselwirkung und mit den Begriffen „Subjekt“ und „Tätigkeit“ erfasst er die aktive Seite des Lebens als einer Komponente dieser Wechselwirkung, die den Aspekt des Unabhängigen der Aktionen der Lebewesen abbildete, also das, was beispielsweise Lorenz u.a. mit dem Terminus „Instinkt“ bezeichneten. Auch damit  musste er den Rahmen naturwissenschaftlichen Denkens nicht verlassen. Mit dem Begriff der Tätigkeit erfasste Leont´ev mehr die Antriebsseite der Aktionen, während die deutsche Ethologie um Lorenz /2/ mehr die Unabhängigkeit der Ausführung der Aktionen von äußeren Einwirkungen im Auge hatte.

 Wir haben es nie zu bereuen gehabt, daß wir die Veränderlichkeit der Instinkthandlung durch Erfahrung rundweg geleugnet haben und folgerichtig den Instinkt wie ein Organ behandelt haben, dessen individuelle Variationsbreite bei allgemeiner biologischer Beschreibung einer Art vernachlässigt werden kann. Diese Auffassung widerspricht nicht der Tatsache, daß manchen Instinkthandlungen eine hohe regulative „Plastizität“ zukommen kann. (S.273)Wenn man nicht den Begriff des Lernens ganz ungeheuer weit fasst, so daß man etwa auch sagen kann, die Arbeitshypertrophie eines vielbenützten Muskels sei ein Lernvorgang, so hat man durchaus kein Recht, die Beeinflussung des Instinktes durch Erfahrung zu behaupten. (Lorenz S. 274) 

Zugleich wird die Unterschiedlichkeit des Herangehens durch die jeweils unterschiedlicher „berufliche Brille“ beider bedingt. Lorenz richtet seinen Blick als Biologe auf die arttypischen Eigenschaften der tierischen Aktionen und abstrahiert dabei notwendigerweise von den individuellen Unterschieden. Leont´ev richtet als Psychologe seinen Blick vordergründig auf eben diese individuellen Eigenschaften der Tiere, für die die allgemeinen Artmerkmale zwar bedeutsam sind, diese aber nicht erklären.

 „Andererseits kann sich das … individuelle Verhalten – diese Tatsache ist noch offensichtlicher – stets nur auf der Grundlage des instinktiven Artverhaltens bilden. Das bedeutet: Ebenso wie es kein Verhalten gibt, das ausschließlich durch angeborene, von Umwelteinflüssen unabhängige Bewegungen realisiert wird, gibt es keine Fertigkeiten oder bedingten Reflexe, die nicht von angeborenen Momenten abhingen.“ (S.141)Die Mechanismen des individuellen Verhaltens „   unterscheiden sich von denen des Artverhaltens vor allem insofern, als in ihnen die Fähigkeit zu einem Verhalten fixiert ist, mit dessen Hilfe die individuelle Anpassung erfolgt, während in den Mechanismen des Artverhaltens das Verhalten selbst fixiert ist. (Leont´ev, S237) 

Die Postulierung autonomer Aktionen – gleichgültig ob man sie nun „Instinkte“ oder „angeborenes Artverhalten“ nennt – ist in jedem Fall eine logisch erforderliche Voraussetzung eines subjektwissenschaftlichen Konzepts für Biologie und Psychologie. Beide Wissenschaften unterscheiden sich u.a. in der Fragestellung. Die (kausalistische) Biologie fragt nach der Entstehung des angeborenen Artverhaltens und sucht ihre Antworten in Evolutionstheorie und Genetik. Die (individualwissenschaftliche) Psychologie fragt nach der Entstehung der Individualität der Aktionen, die sich zwar auf der Grundlage des Angeborenen entwickelt, dadurch aber nicht erklärt werden kann.

Leont´ev löst die Frage nach der Beziehung des instinktiven Artverhaltens zum Individuellen mit der Kategorie der Tätigkeit.

  „Wie wir schon darlegten, wird die Tätigkeit, die die unmittelbaren biologischen, instinktiven Beziehungen der Tiere zur Umwelt realisiert, stets durch die Gegenstände angeregt, die ein biologisches Bedürfnis befriedigen, und ist auch auf diese gerichtet. Bei den Tieren entspricht jede Tätigkeit einem unmittelbaren biologischen Bedürfnis; jede Tätigkeit wird durch einen Gegenstand ausgelöst, mit dem sie ein biologischer Sinn verbindet: der Sinn eines Gegenstandes, der ein Bedürfnis unmittelbar befriedigt; und es gibt bei Tieren auch keine Tätigkeit, die ihrem letzten Kettenglied unmittelbar auf diesen Gegenstand gerichtet wäre. (S 168) 

Im Begriff der Tätigkeit wird das Artverhalten in seiner individuellen Ausgestaltung abgebildet, während im verhaltensbiologischen Begriff des Verhaltens das Arttypische dominiert. Verhalten ist Verhalten der biologischen Art, Tätigkeit ist Tätigkeit des Individuums.

Da die tierische Tätigkeit auf die Selbsterhaltung des (individuellen) Subjekts gerichtet, wird sie zu einer individualwissenschaftlichen Kategorie. Selbsterhaltung ist die Erhaltung des individuellen Subjekts /3/ und kann nur durch die individuellen Bedürfnisse des Subjekts erklärt werden. Zugleich ist sie auf einen externen Gegenstand gerichtet, in dem das subjektive Bedeutung objektiviert, vergegenständlicht wird. Der objektiv gegebene Gegenstand erhält so einen subjektiven Sinn.

Diese grundlegenden Elemente des Begriffssystems der Tätigkeitstheorie /4/ ermöglichen es, die individuelle Gestaltung angeborenen Artverhaltens schlüssig zu erklären. Die Tätigkeitstheorie Leont´evs ist keine psychologische, wie manche Psychologen meinen, sondern eine individualwissenschaftliche Theorie und als diese wissenschaftsübergreifend.

Der Begriff der Tätigkeit hat die Potenzen, Biologie und Psychologie auf eine gemeinsame naturwissenschaftliche Grundlage zu stellen und so beide in ihrer jeweiligen Eigenart zu betreiben. Dazu ist es aber erforderlich, dass die traditionelle Biologie und die traditionelle Psychologie ihre subjektwissenschaftliche Gemeinsamkeit erkennen. Beide müssen ernsthaft davon ausgehen, dass die Psyche eine biologische Eigenschaft aller tierischen Lebewesen – also auch des Menschen – ist, die beim Menschen ihre spezifische gesellschaftliche Gestalt annimmt. Nur so können sowohl die tierische wie die menschliche Psyche in ihrer jeweiligen Eigenart verstanden werden. Wenn man die tierische Psyche nicht versteht, versteht man auch die menschliche nicht – und umgekehrt.

  

/1/ Leontjew, Alexej (1964): Probleme der Entwicklung des Psychischen, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin

/2/ Lorenz, Konrad (1992): Über tierisches und menschliches Verhalten - Gesammelte Abhandlungen I, Piper & Co.Verlag, München, Zürich

/3/ Aktionen, die sich auf die Erhaltung der Art richten, sind folglich definitionsgemäß keine Tätigkeiten. Ich habe vorgeschlagen, sie „Handlungen“ zu nennen.

/4/ Zu Fragen der Tätigkeitstheorie habe ich mich auf meiner Website mehrfach geäußert (1, 2, 3).

Kategorie: Psyche, Subjekte, Tätigkeitstheorie, Verhaltensbiologie

9 Reaktionen zu “Subjekt und Instinkt III: Tätigkeitstheorie”

  1. Georg Rückriem

    Zunächst: Ich vertrete die Auffassung schon lange, daß Leont’evs Tätigkeitstheorie keine Psychologie ist, sondern ein notwendiges Metareflexionssystem - wie immer wir es bezeichnen wollen: Philosophie, Anthropologie, Individualwissenschaft, biologischer Materialismus. Und ich stimme zu, daß L. das Problem von Seiten der Biologie aus angehen mußte, wenn er den soziologischen Zirkel Vygotskijs vermeiden und seine Basisannahmen historisch-logisch begründen wollte. Das zwang ihn natürlich wiederum dazu, seine Vorstellung vom Organischen vom Anorganischen abzugrenzen. Da es ihm letztlich um das Psychische ging, benutzte er dafür den Begriff der Widerspiegelung und definierte die Besonderheit des Organischen gegenüber dem Anorganischen mit der Fähigkeit zur tätigen Widerspiegelung.

    Schwierigkeiten habe ich mit der These, L. benutze dafür den Begriff der Wechselwirkung anstelle von Kausalität. Für L. bleiben Wechselwirkung wie Widerspiegelung auch im Bereich des Lebendigen kausal, nur eben auf besondere Weise. Aber klar ist, daß der Organismus “muß”, er kann nicht “nicht”. Andererseits sind Subjekt und Tätigkeit nicht bloß “Komponenten” der Wechselwirkung, sondern deren besondere Form.
    Daher sind auch “Antrieb” und “Unabhängigkeit” nicht der Gegensatz zwischen L. und Lorenz, denn das Artverhalten ist auch für L. “unabhängig” und der individuelle Antrieb selbst determiniert. Entscheidend ist m.E. vielmehr, daß für L. die “Vermitteltheit” die Spezifik ausmacht, die auch für ihn selbst den Unterschied in der Betrachtungsweise des Biologischen darstellt. Lorenz realisiert nicht, daß es kein Instinktverhalten gibt, das tatsächlich völlig unabhängig von jeder individuellen Erfahrung funktioniert [dafür gibt es genügend Experimente], während für L. das Artverhalten immer nur vermittelt durch das individuelle Verhalten funktioniert. Mit dieser These erklärt er dann auch die gesamte Evolution: Art- und Individualverhalten können mit Hilfe der Kategorie des “vermittelten” Verhaltens bzw. später des “bedingten Reflexes” historisiert werden. Das ursprünglich bedingte wird zu vermitteltem Verhalten und erscheint dadurch als primär, obwohl es historisch sekundär ist. Dieser historisch-logisch untrennbare Zusammenhang scheint mir bei Litsche auseinandergerissen zu werden.

    Der Hinweis auf die besondere berufliche Brille des Psychologen Leont’ev leuchtet mir nicht ein. Gerade für ihn sind - wie gerade dargestellt - Individual- und Artverhalten außerhalb ihrer dialektischen Verschränkung gar nicht zu verstehen. Richtig ist, daß er dies nur mit Hilfe einer Art “biologischem Materialismus” (also historisch-logisch, d.h. mit einer Meta-Theorie) erklären kann, die mit Psychologie nicht identifiziert werden darf.

    Die (kausalistische) Biologie kann daher für L. die Entstehung des Artverhaltens ohne Tätigkeit gar nicht erklären. Andererseits fragt seine Psychologie durchaus nicht nach der Entstehung der Individualität der Aktionen (das tut die Metatheorie), sondern nur nach ihrer ontogenetischen Entwicklung.

    Auf jeden Fall stimme ich den endgültigen Schlußfolgerungen zu: Leont’ev macht sehr plausibel, daß die Tätigkeitstheorie tatsächlich als Metatheorie der Humanwissenschaft gelesen werden kann.
    Aber gerade deshalb ist es m.E. falsch, zu schlußfolgern, er löse die Frage der Beziehung des Art- zum Individualverhalten durch die Tätigkeit (das gewählte Zitat gibt dieses Verständnis auch nicht her). Natürlich ist die Art selbst nicht “tätig”, aber sie “verhält” sich auch nicht. Die Art existiert nur in der Form der Individuen und ihrer Tätigkeit. Wie umgekehrt die Individuen nur vermöge der artspezifisch fixierten Funktionen auf ihre Selbsterhaltung wirken können. Das artspezifisch bestimmte Vermögen zur Selbsterhaltung gehört selbst zu den angeborenen Eigenschaften der Art.
    In seiner Metatheorie ist auch die Widerspiegelung selbst Arteigenschaft und Tätigkeit.

  2. TomGard

    Hallo Georg,

    An dieser Serie verwirrt mich v.a. ein Punkt. Du schreibst:
    Im Begriff der Tätigkeit wird das Artverhalten in seiner individuellen Ausgestaltung abgebildet, während im verhaltensbiologischen Begriff des Verhaltens das Arttypische dominiert. Verhalten ist Verhalten der biologischen Art, Tätigkeit ist Tätigkeit des Individuums.
    Ich bin nicht sicher, ob ich begreife, was Du damit sagen willst. Soweit ich glaubte, Deine Argumentation nachvollzogen zu haben, könnte dies Hin und Her zwischen Art und Individuum entfallen, wenn Du den altvorderen, essentialistischen Artbegriff fallen läßt. Den Gedanken eher illustrierend, als darstellend, sage ich dazu:
    Einst galt die Fruchtbarkeit zweier Individuen als Maß der Artzugehörigkeit, was einerseits ein biblischer (theologischer), andererseits ein handwerklich gärtnerischer Gedanke ist, der entfallen kann, vergegenwärtigt man sich simpel, daß es nicht ‘drauf ankommen kann, ob irgendzwei Populationen sich vermischen können, sondern ob (und wie) sie’s tun. Oder eben nicht tun. (Erhellend für mich dazu die Nachuntersuchung der darwinschen Finken in den 70ger Jahren, ich hab grad nicht parat, wer’s gemacht hat, die zeigte, bei den “Arten” handelt es sich um eine Population von Hybriden, die sich je nach klimatischen Bedingungen systematisch in verschiedene Phänotypen gliedern, die dann als “Arten” erscheinen.) Falls sie’s nicht tun, ist der naturhistorische Entfall der Fruchtbarkeit nur eine statistische Frage.
    Die “Art” durch “reproduktive Population” zu ersetzen ist m.E. nur scheinbar ein geringfügiger Perspektivwechsel, weil er den substanzialistischen Schein dekonstruiert, ein Individuum sei Daseinsform seiner Art. Die vorurteilslose Beobachtung ergibt umgekehrt, daß eine Population Daseinsform ihrer Individuen ist. Gewissermaßen “technisch” genommen ist das ja längst biologisches Basiswissen; ein Begriff wie “Polymorphismus” etwa - nur eines unter vielen Beispielen - bezieht individuelle Eigenarten auf den Genpool der zugehörigen Population, sodaß aus individuell codierten Eigenarten etwas anderes wird, sobald die Bandbreite und Verteilung der Polymorphismen in einer aktiven Population Veränderungen erfährt. Die Individuen setzen den Genpool der Populatin (in ihrer Vermehrung wie ihrer Tätigkeit), doch die Gesamtheit der Population bestimmt über die funktionelle Rolle der einzelnen Genome in ihr. (Elementare Dialektik der Vergesellschaftung. Ich fasse mich an den Kopf, wie gestandene Biologen auf die Idee verfallen, dem Phänomen der Sexualität mit der Kalkulation individueller Energiebilanzen zu Leibe zu rücken.)
    Ich werfe in den Ring, daß erst mit dieser Überlegung die Tätigkeit (der Individuen natürlich) den Raum, den Du theoretisch forderst, auch praktisch erhalten können.

    Der Perspektivwechsel scheint mir auch hinreichend das sozialdarwinistische Vorurteil zu erledigen, Arterhaltung käme als ein summarisches Produkt der Individualerhaltung zustande. Eigentlich ein absurd lächerliches Vorurteil, weil ihm, polemisch zugespitzt, das Bild einsamer Wölfe zugrunde liegt, die die Wildnis mit dem teleologischen gedachten Zweck durchstreifen, periodisch irgendwelche dahergelaufenen Weibchen zu beglücken, so sie überleben.
    Soweit ich orientiert bin, belastet dieser Unfug den jungen Zweig der Populationsgenetik noch immer schwer. Hast Du Dich mit der eingehend beschäftigt? Hast Du Literaturtips dazu?

    Gruß Thomas

  3. TomGard

    Darwinfinken: ich meinte die Forschungen von Peter R. und Rosemary Grant.

  4. Georg

    Hallo Tom
    In der zitierten Stelle geht es um ererbte, evolutionär entstandene und genetisch vererbbare (eben instinktive) im Unterschied individuell erworbenen („erlernten“) Verhaltensweisen, die nicht genetisch vererbt werden. Diese Unterscheidung ist nicht trivial.
    In diesem Zusammenhang ist der verwendete Artbegriff gleichgültig. Ich habe den Terminus hier der Einfachheit halber benutzt, weil er auch von Leont´ev benutzt wird.
    Meine Auffassung der biotischen Art ist in der Theoretischen Anthropologie dargelegt, Kap. 2 „Ökogenese“ und Kap. 5 „Soziogenese“.
    Gruß Georg

  5. TomGard

    Hallo Georg,
    die Schlüsselbestimmungen zur biotischen Art in Kap.2 sind:
    a)”In der hier entwickelten Sicht sind Mutationen „hypothetische Konstruktionen möglicher Umwelten“.”
    b) “Die ursprünglich einheitliche biotische Phase differenziert sich, indem die Individuen die jeweils erforderlichen funktionellen Komponenten kreieren.”
    Richtig?
    Die Artenbildung wäre dann eine systemerhaltende (überindividuelle) “vergegenständlichte Hypothese” der Individuen, sie erhält das trophische System in GEstalt der Individuen.

    Wenn ich auf die Unterscheidung zwischen genetisch und kulturell tradierte Erwerbungen, deren saubere Beachtung Du mir ans Herz gelegt hast, Deine Stufenlogik anwende, dann wären kulturelle Erwerbungen Prädikatierungen eine (?) Stufe über den genetischen, nämlich ein System, das die Gegenstände und Vorgänge der Prägungen prägt, die instinktive Bedürfnisse erhalten (bzw. erleiden, wenn ich die Sozialisation hinzunehme).
    Korrekt?

    Gruß Tom

  6. Georg

    1. Die Merkmale des heutigen Zusammenlebens der Lebewesen in „Arten“, „Populationen“ usw. sind das Resultat einer langen, vielschrittigen Entwicklung, die nicht in einem Satz beschrieben werden kann.
    Das geht nicht in wenigen Sätzen.
    Ich untersuche die „Art“ zunächst aus ökologischer Sicht und als Prozess. Durch die Differenzierung der ursprünglichen biotischen Phase in Heterotrophe und Autotrophe kann die Krise des thermodynamisch ungleichgewichtigen Urozeans überwunden werden und das ökologische Gleichgewicht entstehen. Die Erhaltung der Differenzierung erfordert funktionelle Komponenten, die die genetische Eigenständigkeit jeder Phase („Art“) ermöglichen. (S. TA S. 79ff.) Im Verlauf der weiteren Evolution entstehen weitere Komponenten und Mechanismen, die die ökologische Differenzierung und genetische Eigenständigkeit der „Arten“ gewährleisten.
    2. „Kultur“ verwende ich nur zur Beschreibung menschliche Eigenschaften. Kulturelle Vererbung ist zwar nichtgenetische Vererbung, aber nicht alle nichtgenetische Vererbung ist schon Kultur. Auch hier müssen erst viele Schritte erfolgen und gedacht werden, ehe Kultur entsteht, und das ist noch lange nicht die Kultur von heute. (TA S. 8ff. und hier).

    Im Übrigen geht das weit über den Blogeintrag hinaus und ist auch für eine Diskussion an dieser Stelle wohl ungeeignet.
    So – und nun mache ich ein paar Tage Urlaub. Bis dann!
    Georg

  7. ZellaG

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