Lebewesen versus Subjekt

Die Kommentare zu meinem letzten Beitrag veranlassen mich, das Problem des Subjektbegriffs etwas ausfĂŒhrlicher darzustellen. Sowohl in der Umgangssprache wie in den entsprechenden wissenschaftlichen Fachsprachen wird das Wort „SubjektivitĂ€t“ nur zur Bezeichnung von menschlichen Eigenschaften benutzt. SubjektivitĂ€t wird an Bewusstsein gebunden und meint im Wesentlichen Selbstbewusstsein. In der Biologie wird SubjektivitĂ€t - wenn auch mit Vorbehalten – Tieren zuerkannt, die wie beispielsweise die Schimpansen den „Spiegeltest“ bestehen, d.h. sich selbst im Spiegel erkennen. Damit wird aber nur die FĂ€higkeit nachgewiesen, sich selbst zu sehen und eine optische Vorstellung von sich selbst zu erzeugen. Die optische Wahrnehmung ist aber nur eine Form der Wahrnehmung. Man kann wohl mit einiger Sicherheit annehmen, dass alle Tiere mit einem Nervensystem fĂ€hig sind, sich selbst auch mit den anderen Sinnesorganen wahrzunehmen, ĂŒber die sie verfĂŒgen. Auch der Frosch kratzt sich dort, wo es ihn juckt. Wieso sollte er sich also nicht zu taktiler Selbstwahrnehmung und Selbstvorstellung fĂ€hig sein? Er muss ja „wissen“, wie es sich dort anfĂŒhlen mĂŒsste, wo es juckt. Und auch Fliegen putzen sich dort, wo sie Fremdes wahrnehmen. Warum sollte man ihnen also SubjektivitĂ€t absprechen?

 

Die durch ein Nervensystem vermittelte Selbstwahrnehmung aber nicht nur eine besondere Form der Beziehung von Lebewesen auf sich selbst. Eine andere ist die FĂ€higkeit zur Selbsterhaltung und diese ist ein das Leben kennzeichnendes Merkmal aller Lebewesen. Eine vom Exobiology Program der NASA als allgemeine Arbeitsdefinitio­nen von “Leben” benutzten Definition lautet beispielsweise “Leben ist ein sich selbst erhaltendes chemisches System, das zur Darwinschen Evolution fĂ€hig ist.” [1] Mit dieser Definition kann außerirdisches Leben erkannt werden, auch wenn es nicht eiweißbasiert ist.

Die FĂ€higkeit zur Selbsterhaltung erfordert Systeme, die mit funktionellen Komponenten ausgestattet sind, deren Leistungen auf das System selbst gerichtet sind. Sucht man fĂŒr diese SelbstbezĂŒglichkeit der lebenden Systeme ein geeignetes Wort, bietet sich „SubjektivitĂ€t“ unmittelbar an. Leben ist also generell durch SubjektivitĂ€t gekennzeichnet. Eine solche Terminologie bedarf natĂŒrlich der Konvention.

Wenn man aber nun nicht annimmt, dass alle Lebewesen Subjekte sind, muss die SubjektivitÀt der Lebewesen im Prozess der Menschwerdung entstanden sein. Die Theorie der Anthropogenese muss also die Frage beantworten, wie aus Àffischen Tieren, die nicht Subjekte sind, Subjekte hervorgegangen sind.

Ganz abgesehen davon, dass es nahezu unmöglich erscheint, beispielsweise Schimpansen und Bonobos SubjektivitÀt abzusprechen, folgt aus der Annahme der Evolution der SubjektivitÀt die Frage nach Vorformen der SubjektivitÀt bei nichtmenschlichen Lebewesen. Bindet man die SubjektivitÀt an die FÀhigkeit zur optischen Selbstwahrnehmung, bleibt die Frage, warum andere Formen der Selbstwahrnehmung nicht subjektiv sein sollen.

Wie jede Eigenschaft von Lebewesen muss sich auch die SubjektivitÀt allmÀhlich und schrittweise aus niederen Formen entwickelt haben. Das verlegt den möglichen Zeitpunkt der Entstehung des Subjektiven auf eine bestimmte definierbare Etappe der Evolution des Lebens. Welche Etappe wÀre da denkbar, z.B. die Entstehung des Nervensystems, die Entstehung der Tiere oder die Entstehung der Vielzeller?

 

Eine konsequente Lösung besteht darin, die Entstehung des Subjektiven an die Entstehung des Lebens zu koppeln. Diese Lösung hat erstmals LeontŽev vorgeschlagen [2]. SeinenGrundgedanken habe ich hier dargestellt. Lebewesen können danach nur als Subjekte entstehen. Leben ist die Seinsweise von Subjekten. SubjektivitÀt entsteht nicht im Verlaufe der biotischen Evolution, sondern entsteht bereits mit der Entstehung des Lebens, im Verlauf der chemischen Evolution. SubjektivitÀt ist nicht Resultat der biotischen Evolution, sondern deren Voraussetzung.

Damit wird ein biologischer Begriff der SubjektivitÀt entwickelt, dessen evolutionÀre Entwicklung und Entfaltung rekonstruiert werden kann. Psychische SubjektivitÀt erweist sich dann als spezifische Form der SubjektivitÀt, die an die Entwicklung des Nervensystems gebunden ist, und das Bewusstsein erweist sich als spezifische Form menschlicher SubjektivitÀt.

Solange die Biologie an einem Bild des Lebens festhÀlt, in dem Lebewesen Objekte sind, die allein den Gesetzen der KausalitÀt unterliegen, kann sie Lebewesen höchstens als reagierende Automaten, nicht aber als sich selbst erhaltende Subjekte verstehen. Dieses Bild aber verhindert ein biologisches VerstÀndnis der tierischen Psyche, wodurch auch das adÀquate VerstÀndnis der Spezifik der menschlichen Psyche verhindert wird, die ja aus der tierischen Psyche hervorgegangen sein muss. Die Biologie hat also noch Hausaufgaben zu machen.

 

[1] Nach Rauchfuß, Horst (2005): Chemische Evolution, Springer - Verlag, Berlin.Heidelberg.New York

[2] Leontjew, Alexej (1973): Probleme der Entwicklung des Psychischen, Fischer AthenÀum

Kategorie: Psyche, Subjekte

16 Reaktionen zu “Lebewesen versus Subjekt”

  1. Leuchtspur

    “Eine konsequente Lösung besteht darin, die Entstehung des Subjektiven an die Entstehung des Lebens zu koppeln.”

    Das erinnert mich an die doch sehr alte Hypothese des Panpsychismus, nach der alle Substanzen neben einer materiellen eine psychische Komponente haben, also ein Eigenschaftsdualismus, aus dem dann emergistisch höhere psychischen Eigenschaften entstehen sollen.
    Aber welche Konsequenzen hĂ€tte es, Organismen nicht nur unter dem objektiven Aspekt zu betrachten? Was wĂŒrde sich Ă€ndern in einer Biologie, die die SubjektivitĂ€t der Organismen berĂŒcksichtigen wĂŒrde?

  2. Georg Litsche

    1. Das Psychische und das Subjektive sind nicht dasselbe. Ein Bakterium ist ein Subjekt, hat aber keine Psyche. Zwischen beiden liegen 2 Mrd. Jahre Evolution und eine Menge funktioneller Komponenten (u.a. tierische Seinsweise, Vielzelligkeit, Nervensystem). Wenn man nun Vielzeller als Gesamtsubjekt von autonomen Teilsubjekten analysiert, kann man die Spezifik der Funktion des Nervensystems als Psyche verstehen (Subjekte.de>Neue Texte>Psyche).
    2. Es wĂŒrde eine ganz andere Biologie draus, so eine, wie von UexkĂŒll, Lorenz, Tinbergen, Anochin, LeontÂŽev (um nur einige zu nennen) angestrebt wurde. Eines der wirkenden WiderstĂ€nde ist die Sprache. Biologen mĂŒssen sich in der Sprache der Biologie ausdrĂŒcken. Neue Bedeutungen ĂŒberkommener Termini werden oft nicht rezipiert und gehen verloren, neue Termini gehen im Meer der gewordenen Sprache unter, in der nur ausgedrĂŒckt werden soll, wie Lebewesen nur auf Ă€ußere Einwirkungen reagieren. In dieser Sprache kann man nicht beschreiben, was Tiere tun, wenn man sie tun lĂ€sst, was sie „wollen“. (Lorenz: Da niemand unter den Mechanisten je nachsah, was die Tiere, sich selbst ĂŒberlassen, tun, konnte auch unmöglich einer von ihnen bemerken, daß sie spontan, d.h. ohne Einwirkung Ă€ußerer Reize, nicht nur etwas, sondern sogar sehr vielerlei tun.“ Lorenz, Konrad (1992): Über tierisches und menschliches Verhalten - Gesammelte Abhandlungen II, S.128). Die Biologie hat keine Kategorie, mit der sie so etwas abbilden kann wie einen „Willen“, was zu der absurden Auffassung fĂŒhrt, auch Menschen hĂ€tten keinen eigenen Willen (diese These wird wirklich von Wissenschaftlern vertreten!). Es wĂŒrde eine Biologie daraus, in untersucht wird, was die Lebewesen tun und nicht nur das was wir sie tun lassen. Es wĂŒrde eine Biologie ohne spanische Stiefel.
    Mit einem exakten Begriff des Subjekts kann man eine Biologie entwickeln, die auch den Begriff der Psyche als biologische Kategorie enthĂ€lt. Wenn die Biologie das geleistet hĂ€tte (was ihre Aufgabe ist), könnte die Psychologie darauf aufbauen. So aber ĂŒberlĂ€sst man das der Psychologie, die das gar nicht leisten kann, und kritisiert dann deren Ergebnisse. Bequem, aber nicht zum Ziel fĂŒhrend.

  3. Leuchtspur

    Wie Tiere sich vehalten, wenn man sie sich selbst ĂŒberlĂ€ĂŸt ist doch in den letzten Jahrzehnten wiederholt untersucht worden (z.B. Lawick-Goodall)
    Ich bin Ihrer Meinung, wenn Sie glauben, daß man durch einen Behaviorismus den Geist (Willen) nicht erklĂ€ren kann und daß solche behavioristischen AnsĂ€tze menschlichen Geist durch quasi Elimination einem Physikalismus zugĂ€nglich zu machen, grotesk wirken.
    Aber es mir nicht klar, wie Sie Selbstbewußtsein, Bewußtsein, Psyche unter einem neuen Begriff von SubjektivitĂ€t fassen wollen und zu welchem Zweck das geschehen soll. Was Ă€ndert sich an der Biologie, wenn ein solch neuer Subjektbegriff etablert wĂŒrde?

  4. Georg Litsche

    Das Problem dieser empirischen Untersuchungen ist, dass die Biologie keinen theoretischen Apparat besitzt, mit dem die Ergebnisse adĂ€quat beschrieben werden können. Das habe ich an verschiedenen Beispielen dargestellt („Fliegen mit eigenem Willen“ im Archiv 2007 oder „Haben Tiere Bewusstsein?“). Das gilt auch fĂŒr die Untersuchungen an Schimpansen von Goodall, Whiten, Boesch u.a., die zur Darstellung ihrer Ergebnisse eine Erweiterung des Kulturbegriffs versuchen. Dieser wird kaum rezipiert, wohl deshalb, weil dieser gebildet wird, indem ihm das Merkmal der Symbole genommen wird. So soll er den beobachtbaren Leistungen der Schimpansen angepasst werden.
    Es mehren sich empirische Daten, die nicht mehr in den Rahmen der traditionellen Biologie passen wollen. Noch versucht die Mainstreambiologie, diese punktuell einzugliedern. Das wird auf die Dauer nicht reichen. Ich denke, die notwendigen und zu erwartenden Änderungen der Biologie werden Ă€hnlich tiefgreifend sein wie die der Physik beim Übergang zur RelativitĂ€tstheorie. Eine SchlĂŒsselkategorie dazu ist meiner Meinung die Kategorie des Subjekts. Die Biologie wird nicht mehr lange das bleiben, was Mayr in „Das ist Biologie“ beschreibt!
    Ihre Fragen nach Psyche und Bewusstsein sind m.E. nicht fĂŒr die Beantwortung in einem Blog geeignet. Zu diesen kann ich mich nur in Bezug auf mein Buch „Theoretische Anthropologie“ Ă€ußern, das auf meiner Website auch als pdf zugĂ€ngig ist.

  5. Leuchtspur

    Ja, danke; ich werde mir die pdf Datei einmal ansehen.
    Ihnen alles Gute!

  6. Georg Litsche

    “Ansehen” wird nicht reichen, der Gegenstand fordert schon die “Anstrengung des Begriffs”. Viel Erfolg!

  7. Jörg Friedrich

    Ich glaube, es bringt keinen Nutzen, den Begriff des Subjektiven so zu erweitern, dass er jedes Leben erfasst. Und welchen Begriff verwenden wir dann fĂŒr die Bezeichnung des “Seins, dass sich selbst immer schon gegeben ist” (Heidegger, der zwar dazu auch nicht SubjektivitĂ€t sagt, aber dessen Begriff des Daseins auch nicht klarer ist).

    Ich glaube, der Begriff des Subjektiven sollte an die Seinsform, in der das Seinende sich eben mit seinem Sein selbst beschÀftigt, also das reflexiv Seinende, gebunden werden, eben das, was Sie Selbst-Bewusstsein genannt haben. Diesem Seienden kann es um die Erhaltung seiner selbst gehen, aber es kann auch eben diese Erhaltung in Frage stellen und seinem Leben ein Ende zu machen versuchen. Genau darin unterscheidet sich selbst-bewusstes Sein von nur selbst-erhaltendem Sein.

  8. Georg Litsche

    Fragen des Nutzens kann man wohl nicht durch Glaubensbekenntnisse erörtern. Man muss den Nutzen des einen oder anderen Verfahrens auffĂŒhren, dann kann man vergleichen und feststellen, bei welchem er grĂ¶ĂŸer ist. Den Nutzen der von mir prĂ€ferierten Verwendungsweise habe ich auf meiner Website umfassend dargelegt.
    Entscheidet man sich dafĂŒr, nur selbstbewusstes Sein als subjektiv anzusehen, wie soll dann das unzweifelhaft existierende reflexive Sein auf dem Niveau der Selbsterhaltung bezeichnet werden? MĂŒsste dafĂŒr ein neues Wort erfunden werden? Andererseits haben wir fĂŒr das selbstbewusste Sein des Menschen so ein schönes Wort wie „Persönlichkeit“, dessen Bedeutung heute meist auf IndividualitĂ€t reduziert und fast nur noch in diesem Sinne verwendet wird.
    Mit dem von mir vorgeschlagenen Subjektbegriff kann man weiter beispielsweise individuelle und kollektive Subjekte unterscheiden. Das Sein des individuellen Subjekts ist die Selbsterhaltung des Individuums, das Sein des kollektiven Subjekts ist die Selbsterhaltung einer Gemeinschaft, Gesellschaft. Die Erhaltung der Gesellschaft ist nun gleichgĂŒltig gegen die Erhaltung der sie bildenden Individuen, Ausscheidende werden durch Nachwuchs ersetzt. So kann das in Frage stellen des eigenen individuellen Seins eine Handlung werden, die der Selbsterhaltung der Gemeinschaft dient. So kann auch diese Handlung einen Sinn erhalten.
    Die hier von mir verwendeten Termini sind keine philosophischen Metaphern, die nur in einem bestimmten philosophischen Gedankensystem Sinn und Bedeutung erhalten. Es sind vielmehr wissenschaftliche Begriffe, die logisch widerspruchsfrei aus physikalischen Grundbegriffen abgeleitet werden können. Das kann die von Ihnen prĂ€ferierte Verwendungsweise des Terminus Subjekt“ nicht leisten.
    PS:
    Ich vermute nur einen lapsus linguae in der Formulierung, dass ein Begriff etwas bezeichnet. Begriffe bilden etwas ab, Worte bezeichnen Objekte und drĂŒcken Gedanken aus.

  9. Jörg Friedrich

    Woran erkennen Sie die “Selbsterhaltung einer Gesellschaft”? Was ist das “Selbst” das da erhalten wird? Und wie wird dieses Erhalten sichergestellt?

  10. Georg Litsche

    Wieder eine Frage, deren Antwort in einem Blog nur angedeutet werden kann.
    Eine Gesellschaft (beispielsweise eine Ethnie) erhĂ€lt sich durch Fortpflanzung und Erziehung und Bildung des Nachwuchses. Andere Gemeinschaften erhalten sich beispielsweise durch Aufnahme neuer Mitglieder („Adoption“). Das neue Mitglied muss sich die Statuten Regeln usw. der Gemeinschaft aneignen und beachten. Durch solche kollektiven Handlungen wird die Erhaltung der Gesellschaft, Gemeinschaft „in der Zeit“ erhalten, d.h. ĂŒber das Leben oder die Mitgliedschaft der einzelnen Mitglieder hinaus. Dieser Zusammenhang ist Gegenstand eines Manuskripts, dass unter http://www.subjekte.de/AlteTexte/Erziehungstheorie.pdf eingesehen werden kann.
    So wird die Existenz der Gesellschaft, Gemeinschaft unabhĂ€ngig von der Existenz einzelner Mitglieder, was den Suizid erst möglich macht, denn er gefĂ€hrdet die Existenz der Gesellschaft nicht notwendig essentiell. Suizid ist erst in Gesellschaft möglich. FĂŒr ein individuelles Subjekt ist Suizid keine Kategorie.

  11. Jörg Friedrich

    Ich habe noch einmal ĂŒber die Problematik nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass man auch dann, wenn man SubjektivitĂ€t ĂŒber Selbsterhaltung definiert, zu dem Ergebnis kommt, dass sich SubjektivitĂ€t nicht auf alle Lebewesen ausdehnen lĂ€sst, sondern (unter den uns bekannten) im Wesentlichen auf den Menschen beschrĂ€nkt bleibt. Ich bin kein Biologe und kann deshalb ĂŒber die Leistungen von Primaten oder Delfinen nichts sagen.

    Selbsterhaltung setzt voraus, dass das Lebewesen das Ziel hat, sich selbst zu erhalten. Zwar könnte man den Begriff so weit ausdehnen, dass auch Verhaltensweisen, die nicht zielstrebig sondern genetisch begrĂŒndet sind, erfasst werden, aber dann erfasst der Begriff etwas anderes, als es die menschliche Selbsterhaltung darstellt.

    Das tierische Verhalten (soweit es uns philosophisch interessiert) ist rein genetisch bedingt, wohingegen der Mensch aus seinem Bild von der ihn umgebenden Welt und seinen Vorstellungen von den Auswirkungen seiner Handlungen EntschlĂŒsse fasst, sich so und so zu verhalten. Nur letzteres kann als Selbst-Erhaltung bezeichnet werden.

  12. Jörg Friedrich

    Durch eine lÀngere Schreib-Pause am heutigen Morgen sehe ich erst jetzt die Antwort auf meine gestrige Frage. Deshalb folgende ErgÀnzung:

    Bei der Gesellschaft gibt es eben auch keine Selbst-Erhaltung, weil es kein Selbst gibt, es gibt individuelles Verhalten von Menschen, welches (meist ungewollt) zur Stabilisierung oder zur VerÀnderung der Institutionen beitrÀgt.

  13. Georg Litsche

    Da habe ich natĂŒrlich Fragen:
    Wenn Sie nichts ĂŒber die Leistungen von Primaten sagen können, warum tun Sie es dann und sagen, sie hĂ€tten keine Ziele? Wenn sie Schimpansen oder auch Pantoffeltierchen einmal unvoreingenommen beobachten, werden Sie eine erstaunliche Zielstrebigkeit feststellen.
    Das tierische Verhalten, das mich wissenschaftlich (nicht philosophisch – und wer ist „uns“) interessiert, lĂ€sst mich fragen: wie machen die das?
    Wenn man die Tiere freilich aus dem philosophischen Olymp verbannt, interessiert das nicht. Ich vermute, die Tiere interessiert es auch nicht, ob ihnen Philosophen die FĂ€higkeit zur Selbsterhaltung zutrauen – sie tun es einfach und erhalten sich einfach. Und das seit ĂŒber 3 Mrd. Jahren.
    Und wenn Sie mir nun noch erklĂ€ren, was „Selbst“ ist (naturwissenschaftlich, nicht in einer philosophischen Schule), kann ich vielleicht etwas zur Selbsterhaltung der Gesellschaft sagen.

  14. Jörg Friedrich

    Sie stellen die Frage nach “dem Subjektiven” und wollen es “allem Lebenden” zuweisen. Damit werden sie zwangslĂ€ufig philosophisch, ob sie das wollen, oder nicht.

    Ich sage nicht, dass Primaten keine Ziele haben, wenn das so ist, dann sind sie auch Subjekte in meinem VerstĂ€ndnis, mir geht es um die KlĂ€rung der Begriffe selbst. Da kann man zwar beispiele heranziehen, aber man kann mit Beispielen nichts beweisen. Man kann nur aus Beispielen Vermutungen darĂŒber ableiten, ob Begriffe genĂŒgend klar sind.

    Wenn Sie z.B. den Pantoffeltierchen Ziele zuschreiben, dann vermute ich dass wir die Begriffe “Ziele” und “Zielstrebigkeit” sehr unterschiedlich verwenden.

    Und wenn sie einen so weiten Begriff von Zielstrebigkeit verwenden, dass Sie das verhalten von Schimpansen ebenso erfassen wie das von Pantoffeltierchen dann, da bin ich sicher, werden Sie die Frage “Wie machen die das?” nie beantworten können.

  15. Georg Litsche

    Wenn Philosophen ein Wort der Umgangssprache okkupieren, muss dessen Benutzung durch mich keine philosophische Äußerung sein. Ich benutze zunĂ€chst die Verwendung in der umgangssprachlichen Alltagserkenntnis, wie sie beispielsweise in Lexika nachzuschlagen ist. Dieser Weg ist dann besonders gut geeignet, wenn bei der Weiterentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnis die Termini der gegebenen Sprache weiter verwendet werden sollen, ohne dass zugleich a priori ein bestimmter wissenschaftlicher oder philosophischer Standpunkt angenommen werden soll, der mit einer bestimmten Verwendungsweise der Termini verbunden ist. Dabei nehme ich zunĂ€chst die oft vorhandenen WidersprĂŒche der Alltagserkenntnis in Kauf und versuche, diese dann allmĂ€hlich in der vorzunehmenden wissenschaftlichen Analyse zu beseitigen.
    In diesem Sinne ist Zielstrebigkeit eine Eigenschaft der Aktionen (Handlungen, TĂ€tigkeiten) von Subjekten. Eine nicht auf ein Ziel gerichtete TĂ€tigkeit ist fĂŒr mich logisch nicht denkbar. Dieses Ziel ist die Selbsterhaltung – was könnte es sonst sein? Was wĂŒrden Sie sonst unter „Zielstrebigkeit“ verstehen wollen?
    Das impliziert nicht, dass alle Subjekte dieses abstrakte Ziel auf die gleiche konkrete Weise verfolgen. Die Frage, „wie die das machen“ hat fĂŒr jedes konkrete Subjekt eine andere Antwort. „Die! ist einmal dieser Schimpanse und einmal jenes Pantoffeltierchen. Das muss auch so sein, weil die ReflexivitĂ€t der Kategorie „Selbsterhaltung“ die SubjektivitĂ€t zugleich zu einer individuellen Bestimmung macht. Jedes Subjekt ist auf seine eigene Weise Subjekt.

  16. Jörg Friedrich

    Es sind nicht die Worte, die Sie benutzen, die ihre Frage zu einer philosophischen machen, es ist ihr Inhalt.

    Aber ich denke, wir kommen nicht weiter. Wenn Sie die Begriffe, die Sie verwenden, jeweils Ihren persönlchen WĂŒnschen entsprechend dehnen und strecken und dann wieder umdeuten und relativieren, spielen Sie ein Spiel, welches ich persönlich nicht mitspielen mag.

    Ich wĂŒnsche Ihnen aber weiter viel Freude dabei.


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